harmonia mundi HMC 901926
(62 Min., 3/2006) 1 CD
Mit ihren jährlich erscheinenden Liedrezitals macht die aus Argentinien stammende Mezzosopranistin Bernarda Fink wohl dem überwiegenden Teil des liedinteressierten Publikums regelmäßig eine Freude – ihre Schumann-CD u. a. mit dem Zyklus "Frauenliebe und -Leben" etwa kann man auch getrost zu den Belegaufnahmen dieses Repertoires rechnen. Bei ihrer Dvořák-CD aus dem Jahre 2004 musste bei allem Lob immerhin der vorsichtige Einwand angebracht werden, dass Finks überaus kultivierte Art des Singens im Falle der "Zigeunerlieder" Dvořáks das spektakulär-zigeunerhafte dieser Stücke nicht gerade in den Vordergrund treten lässt; Brigitte Fassbaenders atmosphärischere Darbietung war damals diesbezüglich zum Vergleich anzuführen gewesen.
Wenn nun das neue Brahmsrezital auch nicht den "Zigeunerlieder"-Zyklus von Brahms enthält, so geistert das verwegen-zigeunerhafte Ausdruckselement doch auch durch viele andere dieser Lieder – und nicht umsonst ist Brigitte Fassbaender auch mit Aufnahmen von Brahmsliedern verschiedentlich sehr positiv in Erscheinung getreten; man kann sie teilweise geradezu als ihre Domäne bezeichnen. Wie geht nun Bernarda Fink, die technisch standfestere, insgesamt vorsichtigere, mit diesen Gesängen um? Nun, hier und da erlaubt sie sich kleine "Fassbaendereien" in Form von stimmungsvollen Portamenti oder schnittigen Crescendi bei satterem Bruststimmeinsatz. Den Liedern tun solche Ausdruckselemente zweifellos gut, und bei Bernarda Fink geraten solche Effekte nie zum Imitat: Fink bleibt im Großen und Ganzen ihrer Linie der technisch solide fundierten, um eine organische Balance zwischen Expressivität und kultivierter Stimmproduktion erfolgreich bemühten Gesangskunst stets treu. Brahmsschlager wie "Alte Liebe" oder "Von ewiger Liebe" geraten auf dieser Basis zum ästhetischen Hochgenuss, zartere Gebilde wie "An die Nachtigall" oder "Geheimnis" gelingen höchst delikat mit bezauberndem Schmelz – durchweg optimal begleitet übrigens von ihrem bewährten Liedpartner Roger Vignoles. Dass Bernarda Fink im Vergleich zu Brigitte Fassbaender immer ein wenig Distanz zum Hörer wahrt, dass sie ihn nicht, wie ihre Vorgängerin das gern tat, aus einer extrovertierteren Interpretationshaltung heraus geradezu "anspringt", hat man angesichts einer so runden, vollkommenen Darbietung in Kauf zu nehmen – auch bei Brahmsliedern.
Michael Wersin, 07.04.2007
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