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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Hans Pfitzner

Von deutscher Seele – Romantische Kantate op. 28

Solveig Kringelborn, Nathalie Stutzmann, Christopher Ventris, Robert Holl, Rundfunkchor Berlin, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Ingo Metzmacher

Phoenix Edition/Naxos PE145
(95 Min., 10/2007) 2 CDs, live

Der Reflex war vorauszusehen, gerade an diesem Tag. Er ging (und geht) so: Ein Werk diesen Titels von diesem Antisemiten!? Unmöglich! Aber der Text stammt doch von Eichendorff, das Wort "deutsch" kommt gar nicht vor (Gottseidank!), und der, der ihn vertonte, war zwar Antisemit (wie so viele) und mit Nazi-Größen befreundet, dennoch kein Parteimitglied, pflegte sogar enge Kontakte mit jüdischen Kollegen, half einigen nach 1933. Auch jenseits persönlich-politischer Verstrickungen gab‘s bei Pfitzner etliche Widersprüche: Gerade hatte er sich in reaktionärster Schimpfe über die "Futuristen" und ihre "musikalische Impotenz" ergangen, als er selbst 1921 in seinem Opus 28 manche modern-expressionistischen Töne anschlug, die Zemlinsky und Schönberg, insbesondere dessen "Gurre-Liedern", alle Ehre gemacht hätten. Gleichwohl frönte er in den Topoi "Nacht", "Traum" und "Kunst" einer genuin romantischen Gegenwelt zur schrecklichen Gegenwart – letztlich resignativ, trotz der ziemlich gewalttätig-optimistischen Schlussapotheose. Ist dies das typisch "Deutsche" an dieser "romantischen Kantate"?
Jedenfalls vermag das zweiteilige ("Mensch und Natur"/"Leben und Singen") Werk über weite Strecken zu fesseln – wenn es derart stilbewusst aufgeführt wird wie von Ingo Metzmacher und seinen fabelhaften Berliner Ensembles an jenem Einheits-Tag im Oktober 2007 in der Berliner Philharmonie: wunderbar kammermusikalisch aufgefächert in den tonmalerisch suggestiven Instrumentalsätzen, etwa "Abend" und "Nacht", emphatisch aufblühend, in den romantisierenden Choralreminiszenzen geradlinig glänzend ohne pathetische Sentimentalität – mit einer Blechbläsersonorität und einer Chorhomogenität vom Feinsten. Leider ließen die Vokalsolisten, insbesondere die weiblichen, den Übervater Wagner allzu vibratoschwanger auf die Bühne treten. Da hatte Eugen Jochum in seiner BR-Referenz von 1955 die glücklichere: schlankere Wahl getroffen. Gleichwohl: Dank Metzmacher sollte dieses "romantische" Werk wieder stärker ins Bewusstsein treten (dürfen), ob "deutsch" oder nicht.

Christoph Braun, 09.05.2009


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