timpani/Note 1 TIM1C1148
(67 Min., 9/1998) 1 CD
Die Boulanger-Schwestern gehören zu den legendären Persönlichkeiten des Pariser Musiklebens im 20. Jahrhundert: Abkömmlinge einer russischen Prinzessin und eines französischen Musikers, der zum Zeitpunkt der Zeugung von Lili schon ein Greis war, unterhielten die finanziell Unabhängigen einen illustren musikalischen Salon in ihrer Heimtatstadt, in dem sich die Größten der Zeit begegneten. Während Nadia eine lange Wirkungszeit bis weit in die Siebzigerjahre hinein beschieden war, erreichte die durch eine Lungenkrankheit seit frühester Kindheit sehr zerbrechliche Lili nicht einmal die Vollendung ihres 25. Lebensjahres: Schon 1918 verschied sie, nachdem sie mit äußerster Energie noch den Rompreis errungen und den damit verbundenen Studienaufenthalt in der römischen Villa Medici angetreten hatte. Vielleicht fördert das Wissen um ihr kurzes Leben und ihr schweres Schicksal die Faszination bei der Begegnung mit ihrer Musik – aber dass es sich bei ihren überlieferten Werken (einige Jugendkompositionen vernichtete sie selbstkritisch) tatsächlich um ungemein ausdrucksstarke sowie der Faktur nach eigenständige Stücke handelt, dürfte kaum ein Hörer der vorliegenden CD bestreiten wollen.
Drei Psalmvertonungen, darunter der fast beängstigend machtvolle "Psaume 29" und vor allem der dem 1900 verstorbenen, geliebten Vater gewidmete "Psaume 130" ("Du fond de l’abîme") belegen ihr großes Talent im Umgang mit orchesterbegleiteter Vokalmusik großformatiger Anlage; das Orchester-Diptychon "D’un soir triste – D’un matin de printemps" beeindruckt durch seine farbliche und strukturelle Vielfalt. Kein Zweifel: Lili Boulanger wäre, hätte sie länger leben dürfen, eine einflussreiche Mitgestalterin der französischen Musik des 20. Jahrhunderts geworden. Mark Stringer ist der Dirigent dieses bereits 1998 eingespielten, liebevollen Porträts der großen Französin; das hervorragend disponierte Orchestre Philharmonique du Luxembourg ist gemeinsam mit chorischen und solistischen Vokalkräften Stringers ausgeprägter interpretatorischer Imaginationskraft ein flexibles und selbst hochinspiriertes Medium.
Michael Wersin, 17.04.2009
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