medici arts/Naxos 2072178
(140 Min., 5/1966 u. 5/1978) 1 DVD
Ein Pultphilosoph, ein Metaphysiker war Karl Böhm nicht. Er liebte (im besten Falle) vielmehr die klare Aussage, bei ihm konnte die Musik direkt aus sich heraus sprechen und fernab programmmusikalischer Kommentare erzählen. Doch auch davor hatten die Musengötter den Schweiß gesetzt. Und dabei konnte es bei Karl Böhm durchaus schon mal zugehen wie auf dem Exerzierplatz. Penibel bis in die hinterste Orchesterstimme konnte der strenge Regimentsvater Böhm da die Partitur durchgehen, trieb er dem letzten Orchestermitglied bestimmend den Schlendrian aus. Das reine Vergnügen können die Proben mit ihm nicht gewesen sein. Zumal Böhm selbst in schon reifen Jahren nichts von Altersmilde erkennen ließ. Die historischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen von 1966 zeigen den damals bereits 71-jährigen Böhm daher streng, hellhörig, sachlich. Ob nun in seiner Strickjacke bei den Orchesterproben oder darauf bei der Studioaufnahme von Beethovens Sinfonie Nr. 7. Die Wiener Symphoniker machten hier wie da folgsame Miene, kamen aber aus ihrer Haut nur so weit heraus, wie es der ganz und gar nüchterne Blick Böhms zuließ. Und so erlebt man Beethovens Siebte zwar präzise ausgeleuchtet – aber ohne die nötige Energie.
Ähnlich dienend geriet zwölf Jahre später der Livemitschnitt von Antonín Dvořáks neunter Sinfonie aus dem Großen Saal des Wiener Musikvereins. Und wenngleich diesmal die lokalen Philharmoniker Böhm zur Seite saßen, mangelt es in der hochkultivierten Darstellung dieses Repertoirehits an Begeisterungsfähigkeit und Engagement. Die Philharmoniker schienen da noch einige Reserven gehabt zu haben.
Guido Fischer, 03.04.2009
Diese CD können Sie kaufen bei:
Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen
Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.
Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Der spätbarocke Dichter Barthold Heinrich Brockes (1680–1747) begründete seinen Ruhm durch die 1712 entstandene Passionsdichtung „Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus“. Mit dieser hochemotionalen Schrift war er so erfolgreich, dass gleich 13 zeitgenössische Komponisten diese vertonten, darunter Händel, Keiser, Mattheson und Stölzel. Auch Georg Philipp Telemann lernte den Text 1716 kennen und schrieb in seiner Autobiographie, dass „dessen Poesie von allen […] mehr