Orfeo C 744 071 B
(59 Min., 07/1956) 1 CD
Der große Cesare Siepi mit seiner mächtigen Bassbaritonstimme, umjubelter Interpret italienischer Opernpartien, als Liedersänger in der Bucht eines Flügels bei den Salzburger Festspielen des Jahres 1956: Was kann dabei wohl herauskommen? Einiges, wie man staunend zur Kenntnis nimmt. Nach zwei überflüssigen Lully-Arien zum Warmsingen präsentiert sich Siepi nämlich als überraschend stil-vertrauter Interpret je zweier Lieder von Schumann und Brahms. Zwar erweisen sich sein der differenzierten Textdeklamation etwas abholder Stimmsitz und seine mangelnde intonatorische Feinabstimmung in einer Miniatur wie "Du bist wie eine Blume" als abenteuerlich, aber die großen Bögen von "O wüsst ich doch den Weg zurück" gelingen Siepi durchaus ansprechend, und im "Vergeblichen Ständchen" bringt er das kokette Rollenspiel zwischen dem verliebten Knaben und dem spröden Mädchen punktgenau mit viel Humor über die Rampe. Trefflich meistert er im weiteren Verlauf des Abends dann Maurice Ravels Zyklus "Don Quichotte à Dulcinée", bevor er sich dem ihm vertrauten Opernrepertoire zuwendet: Mit Boito, Verdi und Rossini beschließt er den recht kurzen Konzertabend, lässt sich aber noch zu drei (Arien-)Zugaben herbei. Es handelt sich hier also nicht um einen Liederabend im eigentlichen Sinne, aber doch um die ernsthafte Annäherung Siepis an eine sonst nicht in seinem Bereich liegende Gattung – deutlich wird dabei das ehrliche Bemühen ebenso wie die Meilen, die Siepi vom "echten" Liedgesang trennen. Erstaunlich, so denkt man, dass es Sänger gibt, die Oper und Lied wirklich auf hohen Niveau unter einen Hut zu bringen vermögen.
Michael Wersin, 01.01.1970
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