Decca/Universal 074 3257
(130 Min., 1970, 1964) 1 DVD
Schuberts "Winterreise" bildet wahrscheinlich die Quintessenz des Liedsängers Peter Pears. Hierzulande ist er vor allem als Interpret der Werke seines Lebensgefährten Benjamin Britten bekannt. Weit weniger bewusst ist vielen Klassikliebhabern, dass Britten auch ein grandioser Pianist und Liedbegleiter war und dass die Liedinterpretationen von Peter Pears in Großbritannien als ebenso maßstabsetzend gelten wie die von Fischer-Dieskau bei uns. Im Jahr 1970 steckten Fernsehregisseure den Sänger in einen braunen Mantel und stellten ihn in eine stilisierte Landschaft, wo er den Zyklus sang, am Klavier begleitet von Benjamin Britten. Zwischen den Liedern fasst ein Sprecher aus dem Off die Handlung zusammen und zerstört dadurch den Sog dieser Reise ins Ungewisse. Die Stimme des Tenors ist auch in dieser relativ späten Aufnahme noch bemerkenswert intakt, das brüchige Timbre passt gut zum depressiven Charakter der Lieder. Er wahrt jedoch immer die Distanz zum Text, stürzt sich nicht sentimental in die Depressionen des Reisenden. Die Diktion ist makellos, die Phrasierung edel und Pears versteht es, gerade durch seine noble Ausstrahlung tief zu berühren. Auf die Kostümierung als Reisender des frühen 19. Jahrhunderts könnte der Zuschauer gerne verzichten. Diese Zwitterstellung zwischen Inszenierung und kommentiertem Liederabend macht die Produktion für den Kenner der "Winterreise" jedoch schwer konsumierbar.
Interessanter sind die von Britten arrangierten englischen Volkslieder, die bereits 1964 in einem BBC-Studio vor Publikum aufgenommen wurden. Pears gibt in Alltagskleidung kurze Einführungen in den Charakter der einzelnen Lieder und singt dann unprätentiös im direkten Kontakt mit den Zuhörern. Auch der Pianist Britten, der in der "Winterreise" völlig unsichtbar bleibt, spielt ohne viel Aufhebens mit großer Anschlagskultur und begleitet den Vortrag von Pears äußerst aufmerksam. Im Bonusmaterial besprechen Britten und Pears in ihrem Privathaus am Klavier sitzend ihre künstlerische Annäherung an drei Lieder der "Winterreise". Hier gewinnt der Zuschauer einen seltenen Einblick in die Werkstatt der beiden Künstler und kann an diesem unrestaurierten Material nebenbei sehen, wie aufwendig die Restaurierung der anderen Filme gewesen sein muss.
Uwe Friedrich, 05.12.2008
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