Die unkonventionell freie, nicht immer musikwissenschaftlich gezügelte Improvisationskunst von "Los Otros" hat bislang im spanischen Kulturkreis ihr zentrales Betätigungsfeld gefunden – und ihr Verführungspotenzial, das selbst nicht-klassische Hörer ansprechen dürfte. Das trifft zweifellos gerade auch für den außereuropäischen Streifzug zu, der Hille Perl, Steve Player und Lee Santana nun nach Mittelamerika führt. Allerdings wirkt die Verführung nicht von Anfang an. Bei der ersten Programmhälfte sollte man sich, ohne allzu kritische "klassische" Ohren, auf eine Hacienda hinwegträumen, wo man, umnebelt von zwei geschlürften Piña Coladas, in der Mittagshitze brütet und auf das Nichts wartet. Was Sonne und Alkohol noch nicht geschafft haben, das schaffen dann die mexikanischen Volkslieder, Hachas, Fandangos und Fandanguitos: der Ostinatorhythmus benebelt zunehmend das Gehirn – und die kurzen Gesangs- und Instrumentaleinlagen des mexikanischen Tembembe Ensamble Continuo tun ihr Übriges.
Dass die Qualitäten des noch heute in Veracruz praktizierten "son jarocho" nicht an jene spanischen Quellen des 16. und 17. Jahrhundert heranreichen, die Jordi Savall so hinreißend eingespielt hat ("Villancicos y danzas criollas de la Iberia antigua al nuevo mundo"), enttäuscht weniger als dass Hille Perl, Savalls prominenteste Gambenkollegin, ihr Zauberstück nur selten angemessen zum Klingen bringt. Mit Lucas Ruiz de Ribayaz‘ "Canarios" oder dem zotigen "La Iguana" wird‘s dann impulsiver, das Schlagwerk üppiger, die Rhythmen flotter, mithin: alles karibischer in diesem Multikulti von spanischen Kolonialherren, Indianern und afrikanischen Sklaven. Gottlob – der Abwechslung wegen – gibt‘s dann, etwa im "Leoylio"-Tanz, noch Polyfon-Anspruchsvolleres, und auch Hille Perl kann endlich ihre Verführungskünste zeigen.

Christoph Braun, 01.11.2008

---

Diese CD können Sie kaufen bei:

---

---

Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.

---