Virgin Classics/EMI 7 24354 54802 4
(74 Min., 11/2000. 6/2001) 1 CD
Wer ihn dirigieren sieht, der glaubt, er wolle die Welt umarmen und alle Ozeane auch bei Sturmflut ausbalancieren. Wer dieses „Ausufern" allerdings auch auf das Hör-Resultat meint übertragen zu können, der irrt: Daniel Harding vergisst nie die Proportionen, im Gegenteil: diese Brahms-Einspielungen sind von bewundernswerter Stringenz und Klarheit.
Das fängt an bei der zügigen, aber nicht überhasteten Tempogestaltung und endet bei einer geradezu fabelhaften klangfarblichen Orchesterbalance und einer rhythmischen Präzision, die auch die kleinste Begleitfigur noch deutlich werden lässt. Letzteres hat natürlich auch und gerade die Kammerphilharmonie Bremen zu verantworten, die ich mir allenfalls in den Geigen etwas elegischer, sinnlicher und singender gewünscht hätte; ansonsten ist hier eine Orchesterkultur zu bestaunen, die auch den höchsten solistischen und Ensemble-Maßstäben gerecht wird, so durchsichtig im polyfonen Satz, so ausgewogen in den Bläserharmonien wird hier musiziert.
Die Bremer Besetzungsstärke ist, so das Beiheft, genau diejenige, mit der auch Brahms mit der gefeierten Meininger Kapelle seine Sinfonien aufgeführt hat. Mit diesem „Originalklang" (und zusätzlich ursprünglicher Sitzordnung) hat bereits Roger Norrington vor fünf Jahren dieselben Werke aufgenommen. Das im Vergleich zum spätromantisch üblichen Orchester reduzierte Instrumentarium, das hier wie dort zu einem ganz ungewohnt schlanken Klangbild führt, geht bei Harding jedoch nicht (wie bei Norrington) mit einer Einebnung der Spannungsverläufe einher.
Harding weiß vielmehr, wie die Ecksätze der Dritten und der erste und dritte Satz der Vierten zeigen, mit Tempo- und Dynamik-Nuancen umzugehen und Steigerungswellen hin zu explosiven Entladungen hin aufzubauen. Und die langsamen bzw. tänzerischen atmen einen wahrhaft warmen, linden Duft. Mit jener kleinen Einschränkung also ein meisterlicher Synthese-Brahms: schwulstfrei, aber mit der nötigen Emphase.
Christoph Braun, 22.11.2001
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