Oehms Classics/Harmonia Mundi OC 597
(60 Min., 12/2006) 1 CD
Früher obligatorisches Gepäckstück jedes fahrenden Geigenvirtuosen, heute Nischenrepertoire: Über die schwärmerische Wunderwelt Henri Wieniawskis, des "Chopins der Violine", hat sich eine dichte Staubschicht gelegt. Eine enthusiastische Putzkolonne wie diese hier kann darunter aber noch immer einigen Glanz freilegen. Mit sportlicher Phrasierung, im Spurt trockener, im Auslauf empfindsam-weicher Artikulation spielt sich Benjamin Schmid in seinem polnischen Rezital durch Wieniawskis zweites Violinkonzert. In Windeseile wechselt er Register, Artikulation und Tempi, was vor allem dem fröhlich-launischen Finale ausgezeichnet bekommt. Das Sinfonieorchester aus Wroclaw, dem ehemaligen Breslau, lässt sich unter der Stabführung seines ersten Gastdirigenten Daniel Raiskin vom wendigen Solisten nicht abschütteln und wird im sinfonischen zweiten Violinkonzert von Karol Szymanowski zeitweilig sogar gleichberechtigter Partner. Dabei gilt auch für diesen kompositionsgeschichtlichen Spätankömmling zwischen Ravel, Bartok und Wildwest: schön, das mal – aber eben auch nur mal – wieder zu hören. Etwas günstiger schließlich die Prognose für Lutosławskis verhältnismäßig viel gespieltes Konzert "Chain 2": Uraufgeführt vor 20 Jahren von Anne-Sophie Mutter, mag es noch eine gute Zeit vor sich haben, wenn Geiger wie Schmid sich weiter dafür einsetzen. Lutosławskis formalem Schlingerkurs zwischen Halt und Losigkeit, zwischen Tradition und Aufbruch, folgt Schmid mit denkbarer Flexibilität, mal ätherisch-flautando, mal kratzig-herb, dann auch hartnäckig einzelne Töne und große Bögen zu Hochglanz aufpolierend, in all dem loyal unterstützt von Dirigent und Orchester.
Raoul Mörchen, 20.06.2008
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