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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Frédéric Chopin

Polonaisen und Impromptus

Evgeny Kissin

RCA Red Seal 82876686692
(57 Min., 6/2004) 1 CD

Da spielt ein bekannter Pianist noch bekanntere Werke, ein paar Polonaisen und Impromptus, das, was früher einmal in einer Sendung des Norddeutschen Rundfunks als "Große Klaviermusik" angekündigt und geschätzt wurde. Live-Aufnahmen vom Verbier-Festival 2004 enthält diese CD, und Evgeny Kissin spielt technisch perfekt, das Publikum klatscht artig, alles passt. Doch es passiert hier eine ganze Menge mehr.
Kissin ist ein Pianist, der jedem Ton eine spezifische Bedeutung in der Gesamt­erscheinung zuweist, wunderbar dunkel raunt sein Beginn der Polonaise op. 26 Nr. 2, der Ausbruch stürmt heran, dann wieder wechselt der Charakter zu gemessenem Zwischenteil um genauso wieder in Dunkelheit zu versinken. Es folgt ein neuer Ausbruch, und man weiß sich manchmal gar nicht zu retten vor lauter Bedeutungsfülle. Das ist bei den Polonaisen natürlich zum nicht geringen Teil so komponiert, und die große Kunst besteht wohl eher darin, aus dem Sturm und Drang der Gefühle eine Einheit zu schaffen, als jeden einzelnen Charakter herauszustellen. Um diese schwierige Aufgabe mogelt sich Kissin mit seiner gewohnten Brillanz, seinen Einfällen im Detail aber gern ein wenig herum.
Der Gesamteindruck dieser Polonaisen ist aus diesem Grund von einer Abfolge herausragender Momente geprägt. Kissins Rubati sind dabei durchaus originell, und wie er sie manchmal zwischen den Stimmen unterschiedlich rasch einsetzt, verdient Bewunderung. Die vier Impromptus aber, mit ihrem konsistenteren Charakter, gelingen ihm erst zu dem, wie man sich Chopin wünscht. Hier gibt es tänzerische, verspielte, verträumte Momente, und alles fließt in einer gewissen fernen, unnahbaren Poesie zusammen.
Doch bei der folgenden Polonaise op. 40 Nr. 2 wirken gewisse Ausdrucksmomente gar zu sehr konstruiert, wie nach langer Überlegung ein für alle Mal festgelegt und kaum dem Moment entsprungen. Es ist ein schmaler Grat zwischen spontaner Inspiration und intellektueller Interpretation, auf dem sich Kissen mit diesen Aufnahmen bewegt, und sie lassen den Zuhörer bewundernd, aber auch etwas ratlos stehen.

Matthias Reisner, 01.09.2007


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