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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Johann Sebastian Bach

Der Streit zwischen Phoebus und Pan

Simone Nold, Werner Güra, Konrad Jarnot u.a., Münchener Bach-Chor, Bach Collegium München, Hansjörg Albrecht

Oehms/harmonia mundi OC 914
(62 Min., 7/2007) 1 CD

Welch wundersame Wandlung ist er im Begriff durchzumachen, der ehrwürdige Münchener Bach-Chor, einst Karl Richters bewährtes Bollwerk gegen eine an historischen Tatsachen orientierte Aufführungspraxis der Musik Johann Sebastian Bachs: Stolz und felsenfest aufeinander eingeschworen im Rückblick auf eine große Vergangenheit war das engagierte Laienensemble noch in den 90er Jahren ein gefürchteter Prüfstein für junge Aushilfsdirigenten und Assistenten; wer versuchte, von Konventionen abzuweichen, die der große Karl Richter einst eingeführt hatte, der wurde schnell auf Kurs gebracht. Und nun dies: Unter Leitung des Dirigenten, Organisten und Cembalisten Hansjörg Albrecht, der den Bachchor im Herbst 2005 übernahm, bemüht man sich offensichtlich, eine von den Prinzipien der musikalischen Rhetorik getragene Art des Vortrags zu erarbeiten, wie sie seit längerer Zeit schon von den einschlägigen professionellen und semiprofessionellen Vokalensembles der Barockszene mit Erfolg praktiziert wird. Dass das noch nicht perfekt funktioniert, tut der Sache als solcher keinen Abbruch; es sind vor allem stimmtechnische Aspekte, die noch der Verbesserung harren auf dem Weg zu einem fokussierten, nebengeräuscharmen, knackigen Klang, mit dem vielleicht eines Tages noch mehr sprachliche Präsenz möglich sein wird.
Hansjörg Albrecht ist es auch gelungen, den auf modernen Instrumenten spielenden Profimusikern des Bach Collegium München eine am historisierenden Ideal orientierte Spielweise nahezulegen, die den hier im Namen Bachs versammelten Künstlern (viele von Ihnen Mitglieder der großen Münchner Beruforchester) zumeist nicht gerade in die Wiege gelegt ist. Albrecht folgt dabei offenbar den Prinzipien Peter Schreiers, dessen Mitarbeiter er lange war: Zwar kommen Metallflöten, so genannte
"Bachtrompeten", metallbesaitete Streichinstrumente etc. zum Einsatz, aber man arbeitet konsequent an einer nicht mehr am romantischen Interpretationsideal orientierten Art des Vortrags – mit einem Ergebnis, das den eingefleischten Alte-Musik-Puristen sicher immer noch deutlich zu grell und sinfonisch im Klang ist, das andererseits aber eine für solche Ensembles, die ihr angestammtes Instrumentarium nicht beiseite legen wollen, eine gangbare Lösung auf der Höhe der Zeit darstellt.
Passend zu alldem hat Hansjörg Albrecht ein Vokalsolistenensemble zusammengestellt, welches gleichfalls nicht bzw. allenfalls teilweise für die historisierende Praxis steht, dennoch aber durch die Bank Erfahrung hat mit einer sprachgenerierten Art des Singens. Vor dem Hintergrund der Thematik "Bach und das Dramma per musica" kommen Sänger zum Einsatz, die über ein genügendes Maß an Extrovertiertheit und charakteristischer Farbigkeit verfügen, um innerhalb eines umtriebigen Bühnengeschehens gut zur Geltung zu kommen: Konrad Jarnot als Phoebus ist sicher eine Traumbesetzung, für Werner Güra als Midas oder Simone Nold als Momus gilt ein Gleiches.
Schließlich ist noch Hansjörg Albrechts Imaginationskraft zu loben, mittels derer er per Beihefttext sein Pasticcio à la "Opéra Comédie" (er stellt der Kantate "Geschwinde, ihr wirbelnden Winde" BWV 201 eine zu diesem Zweck kompilierte dreiteilige Ouvertüre voran) in eine fiktive Freiluftaufführungs-Szenerie im spätsommerlichen Leipzig des Jahres 1729 einbringt: Vielleicht hätte der alte Bach tatsächlich gern einmal eine Oper geschrieben und aufgeführt.

Michael Wersin, 03.05.2008


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