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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Gustav Mahler

Sinfonie Nr. 4

Amanda Roocroft, City of Birmingham Symphony Orchestra, Simon Rattle

EMI 5 56 563 2
(59 Min., 5/1997) 1 CD

Der mit Mahler befreundete holländische Komponist Alphons Diepenbrock charakterisierte dessen durchwegs "positive" vierte Sinfonie einmal als ein Werk, das "ausschließlich die Empfindungen der von allen irdischen Fesseln befreiten Seele in verschiedenen Auffassungen" beschreibe: also als eine Art musikalisches Kaleidoskop des "himmlischen Lebens" nach dem Tod. Diese in allen vier Sätzen (auch dem makabren Scherzo) anzutreffende metaphysische und doch so naiv anmutende Heiterkeit verleitete denn auch zahlreiche Dirigenten (der inzwischen mehr als achtzig Einspielungen umfassenden Diskografie) zu einem allzu leichtfertigen, teils oberflächlich ausgelassenen, teils idyllisch-tranigen Umgang mit der diskret verpackten inneren Komplexität von Mahlers "klassizistischer" Sinfonie.
Die Überlegenheit des Mahler-Analytikers Simon Rattle wird hier schon in den ersten Takten deutlich, denn er befolgt einfach nur die präzisen Partituranweisungen Mahlers und lässt das hervorragend präparierte Birminghamer Orchester so wienerisch-dekadent in das Anfangthema hineingleiten, als sei das ein Wiener Walzer und kein 4/4-Takt - genau so, wie Mahler es haben wollte. Und so spürt er akribisch jedem kleinsten Detail nach und beweist durch Genauigkeit, dass Mahler hier besonders raffiniert und einfallsreich zu Werke ging und ein Meisterstück durchbrochener Arbeit geschaffen hat, das den Vergleich mit den Alten Meistern Wiens nicht zu scheuen braucht.
Das ist wirklich einmal eine Interpretation für den Kenner, die jeden billigen Effekt scheut und nur dem aufmerksam Hinhörenden ihren subtilen inneren Reichtum enthüllt: Wiener Klassizismus mit britischer Diskretion und nicht ohne Ironie. Wie Rattle etwa die mächtig ausufernde Heiterkeit in der kurzen Coda des Kopfsatzes als Kasperletheater entlarvt und den ahnungslosen Hörer mit zwei (symbolischen) Ohrfeigen aus seinen Kinderträumen reißt, das ist schon genial und "sophisticated", ganz im Sinne Mahlers. Wer sich einlässt auf die wunderbare filigrane Feinmechanik dieser (auch akustisch glänzenden) Aufnahme, der wird am Ende reich belohnt, der bekommt einen wunderbaren, behutsam ausgehörten Vorgeschmack auf die "himmlischen Freuden".

Attila Csampai, 01.09.2007


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