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N° 1297
18. - 24.03.2023

nächste Aktualisierung
am 25.03.2023



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Franz Schubert, Johannes Brahms, Richard Strauss, Hugo Wolf, Wolfgang Amadeus Mozart, Jules Massenet, Giacomo Puccini, Vincenzo Bellini u.a.

Rita Streich - The Viennese Nightingale

Rita Streich

Deutsche Grammophon/Universal 474 738-2
(565 Min., 1953 - 1965) 8 CDs

Acht CDs voll puren, berückenden stimmlichen Goldes, ein wenig verunreinigt allenfalls hin wieder durch etwas zu tiefe Intonation - ist damit nicht schon das Wesentliche gesagt über diese große Rita-Streich-Anthologie? Keineswegs. So mancher mag nach zwei, drei Stunden Streich eine pelzige Zunge bekommen wie nach dem Genuss von zu viel Sahnetorte; allzu reibungsfrei scheint diese Stimme zu laufen und stets auch eingesetzt zu werden, als dass wirklich Interpretation möglich würde - Interpretation, die immer auch vom Kampf mit der Materie, ja von der Auseinandersetzung des Künstlers auch mit den Dunkelheiten seines Innenlebens zeugen sollte. Mit anderen Worten: Verführte Rita Streich das scheinbar mühelose Funktionieren ihrer Stimme nicht oftmals zur Oberflächlichkeit? Man wird dies nicht generell verneinen können, aber auch nicht rundweg bejahen müssen. Mit ihrer unkomplizierten, manchmal etwas eindimensionalen Herangehensweise auch an Komplexeres gehorchte Streich sicher nicht nur eigener Befindlichkeit, sondern erfüllte auch ein kollektives Nachkriegs-Bedürfnis nach ungetrübtem, unproblematischem Schönklang, möglichst keimfrei und ohne Allusionen an Unanständiges. Aus heutiger Sicht sind daher Streichs Interpretationen etwa von Brahms’ "Vergeblichem Ständchen" oder Mozarts "An Chloe" allzu brav ausgefallen. Auch ihre Rosina lässt in "Una voce poco fa" selbstverständlich jene Doppelbödigkeit und halb verborgene Leidenschaftlichkeit vermissen, die eine Maria Callas dieser Figur abzugewinnen vermochte. Für Donizettis Lucia oder auch für Verdis Gilda ist die Streich stimmlich außerdem zu leichtgewichtig. Eine existentielle Dimension kommt in Mozarts "Abendempfindung" vor allem mittelbar durch die tiefe Tessitura zu Stande, denn Streichs Sopran erlangt in der Mittellage durch intensiv ansprechende Gesichtsresonanzen oft eine größere Eindringlichkeit als in der Höhe. Aber andererseits: Wie herrlich ist doch diese Stimme! Brahms’ "Der Mond steht auf dem Berge" oder Schuberts "Hirt auf dem Felsen", Strauss' "Wiegenlied" oder Mozarts beide Königin-Arien aus der Zauberflöte entfalten, kommen sie aus solcher Kehle, doch einen einzigartigen Zauber. Und als Sophie im "Rosenkavalier", zwei Auszüge aus der Böhm-Gesamtaufnahme beweisen dies, bringt es Rita Streich zu deutlich mehr Format und Weiblichkeit als einst ihre noch nachtigallischere Lehrerin Erna Berger. Nicht mäkeln also, sondern diesen Gesang genießen, wie er eben ist - und wenn’s zu zuckrig wird, ausmachen und darauf zurückkommen, wenn es einen wieder nach Süßem verlangt. Schade übrigens, dass zwei der besten Aufnahmen Streichs hier nicht vertreten sind: Ihre Zerbinetta (die liegt bei EMI) und ihre Gretel (unter Lehmann bei DG; die fehlt unverständlicherweise).

Michael Wersin, 29.05.2004



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