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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Helmut Lachenmann

Das Mädchen mit den Schwefelhölzern

Eiko Moirkawa, Nicole Tibbels, Helmut Lachenmann u.a., Orchester des SWR, SWR Vokalensemble Stuttgart, Sylvain Cambreling

ECM/Universal 476 1283
(112 Min., 7/2002) 2 CDs

Auf den ersten Blick besitzen die von ihm erstmals beschrittenen Klang-Gelände immer auch etwas Unwegsames. Denn wer wie Helmut Lachenmann gegen Trends und Traditionen komponiert, der stellt die Gewohnheit auf ein verunsicherndes Fundament bislang unbekannter Geräuschkombinationen. An Lachenmanns Einsprüchen nicht nur gegenüber formalen Symmetrien lässt sich so das eigene Musik-Hören und Musik-Denken schärfen. Mitten in den Strudel der Ton-Verwinklungen und -Verwicklungen, des Wisperns, Zirpens und Flatterns gerät man daher in Lachenmanns 1997 uraufgeführtem Musiktheater-Werk "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern", das er schlicht mit "Musik mit Bildern" bezeichnet. Und so labyrinthisch das für Sänger, Sprecher, großes Orchester und Raum-Elektronik gesetzte Werk das gleichnamige Andersen-Märchen mit Texten von Gudrun Ensslin und Leonardo da Vinci vernetzt, so erstaunlich ist die Präsenz von Lachenmanns Opus Magnum nicht nur im "Opern"-Betrieb. Mit der Neueinspielung unter Sylvain Cambreling liegt jetzt schon die zweite Aufnahme vor.
Dramaturgisch wie in der musikalischen Ausleuchtung gibt es nun gegenüber der Stuttgarter Produktion aber zwei wesentliche Unterschiede, die diese durchaus an Luigi Nonos Werkbegriff orientierte "Hörtragödie" über Ohnmacht und Resignation gegenüber gesellschaftlichen Verwundungen neu gewichten. In der für eine vor vier Jahren in Tokyo entstandenen, konzertanten Aufführung konzentrierte Lachenmann das Herzstück "... zwei Gefühle ..." auf das rein sprachliche Ertasten des Leonardo-Textes - als ein unmittelbarer geworderner Erkenntnisprozeß. Zudem entwickelt Dirigent Cambreling im Gegensatz zu den vehement fluoreszierenden Klangprismen Lothar Zagroseks eine fast scheue Tonsprache, die nicht anklagt, sondern Sehnsüchte weckt. In dieser nur äußerlich kalten Welt mit ihren sich überkreuzenden Schicksalswegen spürt Cambreling besonders über die beiden Sopranstimmen so jene subkutane, modern flackernde Italianità auf, die Nono seinem Schüler Lachenmann vererbt hatte. Und die auf seinem unwegsamen Klang-Gelände für Pfade sorgt, die den utopischen, hoffnungsstiftenden Gedanken nicht schutzlos ausliefern.

Guido Fischer, 01.09.2007


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