Naïve/harmonia mundi V 5016
(67 Min., 6/2005) 1 CD
Fazil Says neue Beethoven-CD ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Interpret bei dem einen Komponisten eine gut gemachte und musikalisch ausgereifte Aufnahme vorlegt (etwa seine Aufnahme der Liszt-Sonate), bei dem anderen aber völlig danebengreift. Hier also ist ein Schuss vor den Bug angebracht, denn viel gespielte Werke werden nicht dadurch neu und interessant, wenn man sie schneller spielt als andere Interpreten - höchstens unerhört.
Abgesehen von einem rasenden Tempo, das schon im Allegro Assai der Appassionata die Feinheiten verwischt, kontrastiert Say die Dynamik im Forte so auftrumpfend, dass man gelegentlich die Saiten klirren hört. Man mag das für modern, vielleicht sogar für im Sinne Beethovens halten, wenn man dem überholten und romantisch verklärten Bild von einem aufbrausenden Ton-Titanen nachhängt, aber jegliche klassische Form, Ausgeglichenheit und Sinn für Proportionen gehen bei Say verloren.
Auch das folgende Andante con moto gerät im zweiten Teil eher zu einem Allegro vivacissimo (um mit dem ersten Teil kräftig zu kontrastieren). Dabei zeigt Say durchaus Sinn für Details, sein Rhythmus ist straff und mit gelegentlichen, spielerischen Abweichungen, die unter anderen Umständen durchaus gut zu Gesicht stünden. Weiter geht es mit dem Allegro ma non troppo - hier mindestens als Presto aufgefasst. Die "Waldstein-Sonate" ist in gleicher Weise angelegt und verursacht beim Hörer irgendwann nervöse Zustände. "Der Sturm" (ausgerechnet) fegt bei Say dagegen durchaus gemäßigter. Ist es eine Form von Überreizung, die Say zu solchen Eskapaden veranlasst? Oder der Versuch, zu überreizen, wo in einer überreizten Welt angeblich schon alles gesagt ist? Die Tendenz sollte eher zum Gegenteil gehen - zumindest in der klassischen Musik.
Matthias Reisner, 29.10.2005
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