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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Body and Soul

Coleman Hawkins

Dreyfus Jazz reference/Edel Contraire 3 460503 672123
(62 Min., 1939 - 1949) 1 CD

Auch auf die Gefahr hin, einen Kritikern meist nicht zugestandenen, möglicherweise sentimental wirkenden Ton anzuschlagen: Ich liebe die Musik des Coleman Hawkins. Anfänglich war er für mich einer von vielen respektierten, geschätzten Größen: Der Vater des Jazz-Saxofons, der Mann, der fast im Alleingang dem Saxofonspiel im Jazz Norm und Form gegeben hat. Seinen Riesenfußstapfen folgten andere, sein "cooler" Antipode Lester Young, der erratische Sonny Rollins, der Sucher John Coltrane. Jedem habe ich auf diesen Seiten und in anderen Blättern ausführlichst gehuldigt. Bei Hawkins hielt ich mich zurück. Warum? Diese Liebe wurde im Laufe der Jahre immer stärker: Die von seiner Musik bei mir ausgelösten Gefühle haben mich immer mehr überwältigt, sprachlos gemacht. Man möchte Dankesgebete schreiben, nicht rezensieren.
Vor zwei oder drei Jahren habe ich entdeckt, dass "Bean" der vermutliche einzige Jazzmusiker ist, dem ich immer und immer wieder, bei jeder Gefühlslage und Tätigkeit, zuhören kann. So etwas denkt man. Man probiert es nicht aus. Man bekommt als Rezensent so viele CDs, dass man in einer Art Automatismus eine nach der anderen auflegt. Nicht um es auszuprobieren, sondern weil ich mich dem himmlischen Sog seiner Musik nicht mehr entziehen wollte, habe ich vorgestern bei diesem Album die Repeat-Taste betätigt. Es lief den ganzen Tag. Ich war glücklich und erfüllt. Der Beweis war erbracht und zugleich jener, das Francis Dreyfus eine Zusammenstellung für die einsame Insel geglückt ist.
Sicherlich, sie beschränkt sich auf nur auf zehn Jahre von Hawkins' Karriere: 1939 hatte er sein erstes Comeback, und 1949 war sein Stern vorerst wieder im Sinken begriffen. Dazwischen liegen die Jahre, in denen er sich an der Seite der Bebopper stilistisch verjüngte. Der Aufbau des Albums ist nicht chronologisch, doch sehr planvoll. "Body And Soul", Hawkins' berühmteste Aufnahme eröffnet es. "Picasso", die erste völlig unbegleitete Saxofon-Improvisation des Jazz (von Joachim Ernst Berendt einst zu Recht mit Bachs Chaconne verglichen) sowie "Rainbow Mist" beschließen es. Beides wiederum andere, vollgültige Varianten von "Body And Soul". Dazwischen liegen Juwelen wie "The Man I Love" und "Yesterdays".
Alle hier vereinten Aufnahmen beweisen Coleman Hawkins' von keinem Jazzmusiker je übertroffene Fähigkeit, glühendste klangliche Intensität und strengste Konsequenz der Linienführung auf einen Nenner zu bringen. Wo standen je so viel ausgeprägter Sinn für Struktur, Disziplin, Klarheit und so viel leidenschaftliche Besessenheit, dramatische Emotionalität einander so förderlich gegenüber? Ein Bildhauer war er, der seine Töne meißelte, ein Maler, bei dem die scharf gezeichnete, hervorgehobene Kontur alles beherrschte. Ein Picasso also.

Marcus A. Woelfle, 01.09.2007


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