Angesichts von Dave Brubecks achtzigstem Geburtstag plagt sich der Elogen-Schreiber damit, welchen Rang er dem Bandleader-Komponisten-Musiker denn nun "jazz-politisch korrekt" zusprechen darf. Außer Frage ist, dass für die Rezeptionsgeschichte des Jazz Dave Brubeck ein Vermittlungs-Genie war. Ungezählt sind die Jazzhörer, für die es eine jazzferne Zeit vor "Take Five" und eine jazzerfüllte Zeit danach gibt. Leider vergessen sie dabei, dass es für Dave Brubeck selber eine Zeit vor "Take Five" gab, die künstlerisch vielleicht sogar seine aufregendste war.
Aus den Schätzen des Fantasy-Labels, einst eigens für Dave Brubeck gegründet, hat der Jazz-Geiger, Kritiker und RONDO-Autor Marcus A. Woelfle ebenso liebevoll wie urteilssicher eine vorzüglich kommentierte Kompilation zusammengestellt, die Brubecks frühe Errungenschaften der Vergessenheit entreißt. So wagte sich sein Oktett noch vor Miles Davis' "Birth Of The Cool" auf ähnliches Terrain und ging in Sachen Polytonalität, Polyrhythmik und Kontrapunktik deutlich weiter. Wem diese Experimente interessant, aber doch fragwürdig erscheinen, mag sich an den Live-Aufnahmen des frühen Quartetts mit Paul Desmond ergötzen, die bei aller Coolness von einem inneren Feuer geprägt sind, das man bei den späteren CBS-Einspielungen vergeblich sucht. Und schließlich sind da noch die herrlichen Aufnahmen mit dem Klarinettisten Bill Smith, die nicht nur ein zu Unrecht vernachlässigtes Instrument ins Hörerbewusstsein rücken, sondern ebenso dessen Exponenten.
Thomas Fitterling, 14.12.2000
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