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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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International Jazz Club

Stéphane Grappelli

Cascade/In-Akustik 53001
(105 Min., 1991) 1 DVD

Dies ist endlich eine Jazz-DVD, die wirklich mehr bringt als eine CD mit dem gleichen Konzertmitschnitt. Ja, sie ist sogar mehr als ein vollgültiger Ersatz für ein Konzert-Erlebnis, das uns seit vier Jahren nicht mehr vergönnt ist.
Stéphane Grappelli, Marc Fosset und Jean-Paul Viret habe ich seinerzeit live erlebt, in einem großen Saal, ziemlich weit entfernt von der Bühne sitzend. Wäre es im Oktober 1991 in Warschau gewesen, bei diesem grandiosen Konzert, das eine polnische Zeitung überschwänglich als „das größte historische Ereignis in der Jazzgeschichte Polens“ bezeichnete, hätte ich mich selbst in der ersten Reihe geärgert. Da hätten mir all jene Kameramänner die Sicht verstellt, denen ich nun wegen ihrer guten Arbeit von Herzen dankbar bin. So genau habe ich dem Meister noch nie auf die Finger schauen können. Welche Lagen hat er bevorzugt? Welchen Fingersatz? An welchen Stellen der Saiten hat er bevorzugt gestrichen, wie den Bogen gehalten?
Das klingt jetzt alles entsetzlich technisch. Doch auch für jene, die solche Fragen überhaupt nicht interessieren, bietet das Bild genug Fesselndes: Die unglaublich liebenswürdige Ausstrahlung des alten Herrn, witzige Blickwechsel mit seinen Kollegen, die scharmanten Publikumsansprachen des Grandseigneurs der Violine, dessen Englisch klingt wie bei Maurice Chevalier. Die fröhlich swingende Musik schließlich bereitet ungetrübte Freude. Grappelli spielt mit dreiundachtzig, immer noch im Vollbesitz seiner gestalterischen Kräfte, inspiriert und berauschend. Man sollte seinen Namen in St. Grappelli abkürzen und ihn zum Schutzpatron der europäischen Geiger erklären. (St. Smith wäre dann für die amerikanischen Geiger zuständig.)
Wenn es bei dieser Produktion Wermutstropfen gibt, dann liegen sie weder bei Bild und Ton, sondern in deren Aufbereitung. Die Untertitel erklären jeden zweiten Standard zu einer Komposition von Grappelli, ob das Thema nun von Gershwin oder einem Kleinmeister stammt. Die Hülle wiederum verschweigt, dass McCoy Tyner bei "How High The Moon" als Gast mitwirkt. Unwissenheit oder mangelnder Geschäftssinn? Es ist schade, dass Jazz-DVDs immer noch so flüchtig und schlampig produziert werden. Die bei Jazz-CDs geltenden Standards sind den DVD-Firmen offensichtlich kaum bekannt.

Marcus A. Woelfle, 01.09.2007


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