Schon in den ersten Akkorden teilt sich eine zärtliche und beinah weihevolle Stimmung mit. Nur in der Stille der Nacht kann solche Musik entstehen, in der jeder einzelne Ton das Gewicht einer letzten Wahrheit erhält und so direkt und wärmend ins Herz dringt wie die Lichtstrahlen der aufgehenden Sonne.
Für Keith Jarrett waren diese Klänge die ersten Hoffnungsschimmer am Horizont, nachdem ihn eine mysteriöse Krankheit zwei Jahre lang zu völligem Nichtstun verurteilt hatte. Das „Chronic Fatigue Syndrom“, ein durch bakterielle Infektion ausgelöstes Leiden, beraubte ihn so gründlich jeder Energie, dass er es für sich selbst in „Forever Dead Syndrom“ umbenannte. An Klavierspielen war nicht zu denken. Von Zeit zu Zeit schaute er in sein Musikstudio, um erstaunt festzustellen, dass die beiden Steinway-Flügel noch an ihrem Platz standen.
Die Wiederbegegnung Jarretts mit den Instrumenten nach zweijähriger erzwungener Abstinenz ist auf den vorliegenden Aufnahmen dokumentiert. Es sind intime Nachtmusiken, Balladen allesamt, gespielt nur für sich selbst und seine Frau Rose Anne. Jarretts Spiel ist gekennzeichnet von der Grenzerfahrung seiner lebensbedrohenden Krankheit. Vorsichtig, um seine nur knappen Kraftreserven zu schonen, reduziert er seine Interpretation auf das Wesentliche, sucht und findet Schönheit gerade in einfachen Aussagen. Wunderbare, herzerwärmende Musik von großer Tiefe.
Jürgen Schwab, 30.04.1999
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