Vor fünfzehn Jahren nannten nicht einmal die großen Jazzlexika den Namen des 1925 geborenen Sängers Jimmy Scott. Mittlerweile ist er fast so etwas wie eine Kultfigur. Mit einer geheimnisvoll erdenentrückten Stimme, die nie einen Stimmbruch kannte, hatte er in den fünfziger und sechziger Jahren als Interpret von Popballaden fasziniert. Selber allerdings verstand er sich immer als Jazzsänger; Billie Holiday nannte ihn ihren Lieblingssänger, und seine Art, die Songs mit einer gewissen schleppenden, schwebenden und Töne verschiebenden Phrasierung zu gestalten, hat besonders Sängerinnen beeinflusst.
Nach einer langen Pause kehrte Jimmy Scott vor zehn Jahren auf die Bühne zurück und ist als Milestone-Künstler zu der erwähnten Kultfigur geworden. Dies mag mit dem auch in der E-Musik zu beobachtenden Interesse für das spezifische Timbre der entrückt hohen Männerstimmen zu tun haben, seien sie nun das Ergebnis besonderer Gesangstechnik oder genetischer oder anderer Defekte. Man muss das allerdings mögen.
Jimmy Scotts Stimme erinnert etwas an Eartha Kitt ohne dieses vollweibliche Volumen. Auch Jimmy Scott hat dieses schneidend katzenhafte Etwas, das mit dem Alter faszinierend brüchig geworden ist und so gut zu der dramatischen, fast süßen - doch beileibe nicht süßlichen - Tristesse passt, mit der er das Standardmaterial auf dieser CD interpretiert.
Und dazu hat ihm der Produzent Todd Barkan großartige Musiker zur Seite gestellt, die ausführlich als Solisten zu Wort kommen. Besondere Erwähnung verdienen Wynton Marsalis, der Saxofonist Eric Alexander, der Bassist George Mraz und die stets einfühlsam auf den Punkt genau begleitende Pianistin Renee Rosness, die in der deutschen Produktinformation zum Mann mutiert.

Thomas Fitterling, 01.09.2007

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