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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



The Tatum Group Masterpieces Vol. 8

Art Tatum

Pablo/ZYX PACD20 431-2
(56 Min., 9/1956) 1 CD

Spät, sehr spät im Laufe seine Karriere traf Art Tatum, der blinde König der schwarzen und weißen Tasten, auf Ben Webster, den Saxofonwohltöner, der es schaffte, innerhalb der Mauern von Coleman Hawkins' Reich ein eigenständiges Fürstentum zu errichten. In diesem Fürstentum regiert die Fülle warm vibrierenden Klanges. Die Rufe "lauter", "schneller", "mehr" verhallen hier ungehört. Ein einziger, oft plüschweicher Ton, ein Hauch warmer Luft erzählt hier Geschichten, für die andere Serien von Noten auftürmen müssen.
Das war nicht immer so. Ben Webster begann seine Karriere als Heißsporn im Gefolge Hawkins'. Er blies keine warme Luft, sondern war ein feuerspeiender Drache, der beim Improvisieren so klang, als würde er gleich anfangen zu brennen. Ein, zwei Jahrzehnte früher wäre das Album kaum gut geworden - so wie auch ältere Aufnahmen von Hawkins und Tatum nicht vollauf befriedigen. Tatum hätte eine Sturzflut von Tönen abgefeuert, "The Brute" hätte laut und schnell in sein Horn geröhrt, hätte aber letztlich als unterlegener Sprinter das Handtuch werfen müssen.
Doch zwei Monate vor Tatums Tod war Webster schon der späte sanfte Balladeninterpret, der weise Reduktionist, der mit Tatum gar nicht erst ins Gehege zu kommen braucht. Auf diesem entspannt swingenden Album kostet er die Themen behutsam aus, hält sich mit ausgedehnten Improvisationen zurück und lässt Tatum allen Platz, den er braucht für seine Zaubertricks aus gewitzten Reharmonisierungen und perlenden Wahnsinnsläufen. Webster wusste, dass er nicht viel tun musste, solange schon in der Begleitung so viel passiert.
Gottlob standen Tatum im Schlagzeuger Bill Douglas und in Mingus' Basslehrer Red Callender Musiker zur Seite, die bescheiden in den Hintergrund zu treten wussten. Besonders auffällig in "Night and Day", aber eigentlich allenthalben, hören wir pro Ton von Webster gleichzeitig Unzählige von Tatum. Und das Dilemma aller Pianisten wird offenbar: Man kann auf einem Klavier keinen Ton halten, und man kann bei aller Anschlagskultur (für die Tatum fast ein Synonym ist) die Klangfarbe recht wenig beeinflussen. Hinter schnellen Tonkaskaden können Pianisten zu verbergen trachten, dass ihre Töne in Sekundenbruchteilen entfleucht sind. Wenn sie spielen wie Art Tatum, können sie uns sogar völlig vergessen machen, dass das Klavier an sich überhaupt solche Handicaps aufweist. Nicht aber wenn ein Klangmagier wie Webster daneben steht und mit einem einzigen Ton seine ganze reiche Empfindungswelt eröffnet.

Marcus A. Woelfle, 01.09.2007


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