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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Richard Strauss

Arabella, Ariadne auf Naxos, Elektra, Die Frau ohne Schatten, Der Rosenkavalier, Salome

Wiener Philharmoniker, London Philharmonic Orchestra (Ariadne auf Naxos), Georg Solti

Decca 458 700-2
(1957 - 1991) 14 CDs, alle CDs auch einzeln erhältlich

“Dieser junge Mann gibt mir eine kleine Hoffnung”, soll der greise Richard Strauss nach einem Besuch Georg Soltis in Garmisch im Kreis seiner Familie gesagt haben. Erst fünfundvierzig Jahre später erfuhr der mittlerweile weltberühmt gewordene Dirigent von diesem Ausspruch. Da hatte er schon längst bewiesen, dass des Komponisten Hoffnung berechtigt gewesen ist, denn immer wieder setzte sich Georg Solti für die Werke von Richard Strauss ein; sechs seiner Opern hat er auch auf Schallplatten eingespielt. Sie gab es zwar alle schon auf CD, wurden nun aber technisch überarbeitet und sind erstmals in einer Box auch gemeinsam erhältlich.
Zwischen Soltis Aufnahme der “Arabella” von 1957 und der “Frau ohne Schatten”, fertiggestellt 1991, liegen vierunddreißig Jahre. In dieser Zeit hat die Aufnahmetechnik enorme Fortschritte gemacht, was aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass Einspielungen jüngeren Datums den älteren Aufnahmen überlegen wären. Gerade im Fall der “Arabella” verblüfft der legendäre Decca-Stereo-Sound der späten fünfziger Jahre auch heute noch. Problematisch wurde es erst vier Jahre später bei der “Salome”, wenn auch nicht aufgrund technischer Bedingungen, sondern in Folge einer anfechtbaren Klangregie. In dieser Aufnahme steht das Orchester so stark im Vordergrund, daß sich selbst eine durchschlagskräftige Stimme wie die von Birgit Nilsson dagegen kaum behaupten kann. Auch “Elektra”, 1966/67 produziert, leidet noch etwas unter diesem Manko. Erst beim “Rosenkavalier” zwei Jahre später ist die Balance zwischen Sänger und Orchester wiederhergestellt.
Soltis Strauss-Box spiegelt aber nicht nur dreieinhalb Jahrzehnte Aufnahmetechnik wider, auch von der Besetzungspolitik her lässt sie interessante Rückschlüsse zu. In den fünfziger Jahren war eine Operngesamtaufnahme noch etwas Besonderes. Nur das Beste vom Besten war damaligen Produzenten gut genug. Daher fanden in der Regel auch nur solche Sänger den Weg ins Studio, die sich in ihren Partien auch auf der Bühne schon bewährt hatten. Eine Idealbesetzung wurde für die “Arabella” aufgeboten: Lisa della Casa ist mit ihrer eleganten, traumwandlerisch sicher geführten Stimme bis heute die Inkarnation der Arabella. Und George London singt einen hinreißend vitalen Mandryka, unter dessen nobler Erscheinung eine leidenschaftliche Glut lodert. Damals wurden Maßstäbe gesetzt, die bei dieser Oper bis heute auch nicht annähernd wieder erreicht werden konnten.
Vierunddreißig Jahre später, bei der “Frau ohne Schatten”, sieht die Sache schon etwas anders aus. Marktstrategische Überlegungen wurden mittlerweile wichtig, um einem Produkt in der Überfülle des Angebots Aufmerksamkeit zu garantieren. Und so kam es, daß man den Kaiser mit Plácido Domingo völlig falsch besetzte. Schon aufgrund seiner mangelhaften deutschen Diktion bleibt er ein Fremdkörper in der sonst recht gut gelungenen Aufnahme.
Legendären Ruf genießen Soltis Einspielungen von “Salome” und “Elektra”. Was die “Elektra” betrifft zu Recht, allein schon wegen Birgit Nilssons in der Titelrolle. Sie ist eine Tragödin von elementarer Wucht, der aber auch die zarten, verletzbaren Seiten der jungen Frau keineswegs fremd sind. Eine Klasse für sich ist ferner Regina Resnik als dekadent-morbide Klytämnestra. Nur Marie Colliers vibratoreiche Chrysothemis bleibt gewöhnungsbedürftig. Solti und die Tontechniker der Decca stellen die Brutalitäten des Stücks in ein besonders grelles Licht.
Bei “Elektra” vermag solch eine Fahrt durch die Geisterbahn zu überzeugen, nicht aber bei “Salome”, wo man einen ähnlichen Ansatz verfolgte. Da lässt Solti doch etwas zu überhitzt musizieren, dreht niemals die expressionistische Flamme zugunsten eines symbolistischen Farbenspiels zurück. Und Birgit Nilssons hochdramatische Salome ist zwar im Schlußgesang von großer Wirkung, verfehlt aber die kindhaften Seiten der Figur zu Beginn des Stücks.
Soltis “Rosenkavalier” stand lange Zeit im Schatten der berühmten Einspielungen von Karajan und Erich Kleiber. Doch Yvonne Mintons schwärmerischer Octavian und Manfred Jungwirths herrlich aufgeblasener Ochs brauchen den Vergleich mit anderen Interpreten dieser Rollen nicht zu scheuen. Und Soltis rhythmisch pointierte, zugleich aber auch kammermusikalisch transparente Aufbereitung der Partitur erweist sich heute geradezu als modern und zukunftsweisend.
Nur die “Ariadne auf Naxos”, die Solti als einzige der sechs Opern nicht mit den Wiener Philharmonikern, sondern mit den Londoner Philharmonikern einspielte, ist auch zwanzig Jahre nach ihrer Entstehung kein Ruhmesblatt. Denn allzu kühl und distanziert verhält Solti sich gegenüber der Partitur. Dazu kommt, dass René Kollos Bacchus etwas zu larmoyant daherkommt und Leontyne Price als Ariadne zu sehr die große Diva hervorkehrt. Einzig Edita Gruberovas Zerbinetta ist ein Trumpf dieser Aufnahme.

Peter Blaha, 01.09.2007


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