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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Kaum eine Oper ist derart in die Mühlen der Politik geraten wie Dmitrij Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk". Zwei Jahre nach der erfolgreichen Uraufführung 1934 in Leningrad traf sie -und damit den Komponisten - durch den "Prawda"-Artikel "Chaos statt Musik" der berühmte Bannstrahl. Zwei Jahrzehnte später unterzog Schostakowitsch dieses aufwühlende Musikdrama einer Revision. Die so entstandene zweite Fassung wurde unter dem Titel "Katerina Ismailova" 1963 zum ersten Mal aufgeführt. Dass 1966 schließlich dieses um einige Anzüglichkeiten abgemilderte Werk gar verfilmt wurde, kann als Zeichen für das Tauwetter genommen werden, das gegenüber Schostakowitsch eingesetzt hatte. Die erstmals außerhalb Russlands zu sehende, auf DVD übertragene Filmfassung von Mikhail Shapiro spielt zwar ganz neo-realistisch im 19. Jahrhundert und auf dem Gut der Ismailovas. Aber nicht nur in den Schnitten, Überblendungen und Traumsequenzen unterscheidet sich diese Opernverfilmung radikal von all den gemütlichen Studio-Inszenierungen westlicher Provenienz.
Allein die Schauspielerin Galina Wischnewskaja liefert ein verstörendes Psychogramm, bei dem einem der Atem stockt. Und kommt dann auch noch ihr stimmliches Espressivo hinzu, ihr bis in die hohen Lagen wild flackerndes Ausdrucksspektrum, ist das schlicht eine Idealbesetzung. Da macht es gar nichts, dass die Synchronizität zwischen Gesang und Lippenbewegung kräftig auseinanderdriftet. Was gleichfalls für den Rest des Ensembles gilt, das aus Schauspielern besteht und dem großartige Solisten aus dem Off zur Seite stehen. Überhaupt hat Regisseur Shapiro für seine Fassung, die gegenüber der Originalpartitur um eine halbe Stunde gekürzt wurde, nicht den einfachen Weg gewählt, um die Seelensprengsätze hochgehen zu lassen. Dieses schauerliche Drama entwickelt sich zu einem Albtraum mit zum Teil atemberaubenden expressionistischen Mitteln. Einen einsamen Höhepunkt setzt die heftige Traumszene, in der Katerina der ermordete, lüsterne Schwiegervater erscheint. Das (Opern-)Leben in einem einzigen Schockzustand - das ist diese "Katerina Ismailova".

Guido Fischer, 01.09.2007


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