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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Der vor drei Jahren verstorbene Italiener Luciano Berio gehörte zwar zur ersten Nachkriegs-Avantgarde-Generation und beherrschte natürlich alle Regeln des zwölftönigen und seriellen Komponierens. Aber als Südländer erinnerte er in seinen Werken nicht nur an die oftmals theatralische Art der menschlichen Kommunikation, wie sie auch typisch für seine Heimat war. Berio bekannte sich auch zu einem kulinarischen und verblüffenden Virtuosentum, bei dem eine musikalische Idee die Ausdrucks- und Spielmöglichkeiten eines Instruments durchaus an seine Grenzen bringen darf. Ein direktes Vorbild war für Berio sein berühmter Landsmann Niccolò Paganini nicht, als er 1958 mit der Komposition der "Sequenzen" begann - dieser Reihe von Stücken für ein Soloinstrument oder für eine Solostimme. Doch wie Paganini zumindest mit seinen diabolisch schweren Capricci für Violine solo ein weiterhin schweißtreibendes Exerzitium für die Finger hinterlassen hat, so gelten die insgesamt 14 Sequenzen als hochexperimentelle Abenteuerspielplätze für jeweils ein Instrument. Von der Sequenza I für Flöte (1958) bis zur Sequenza XIV für Violoncello (2002) müssen die Solisten daher oftmals musikalisches und musikantisches Neuland betreten.
Kein Wunder, dass Berio viele seiner Sequenzas der furchtlosen Interpretationselite gewidmet hat, von Severino Gazzelloni über Cathy Berberian bis zu Heinz Holliger und Teodoro Anzellotti. Doch mittlerweile gehören die Spieltechniken der Sequenzas fast schon zum Rüstzeug der nachgerückten Solistengeneration. Zumindest ist das der Eindruck nach der ersten Gesamteinspielung sämtlicher Sequenzas. (Bei der Einspielung von 1998 mit Mitgliedern des Ensemble Intercontemporain war schließlich Nr. 14 noch nicht komponiert.) Die 14 Interpreten, die vorrangig aus Kanada stammen, realisieren mit einer selbstverständlichen Bewusstseinsschärfe für die Komplexität und den Konfliktreichtum die Partituren, so dass das Technische hinter der Wandlungsfähigkeit und Gedankenvielfalt der Berio'schen Musiksprache verschwindet. Im Vordergrund stehen somit geradezu körperlich wirkende Gesten und Herzschläge, die aus jeder Sequenza eine persönliche Charakterstudie jedes Instrumentes und seines Partners machen.

Guido Fischer, 01.09.2007


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