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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Am byzantinischen Hofe zur Zeit des Kaisers Alexios III. (ein historischer Potentat, der um die Wende zum 13. Jahrhundert lebte und herrschte) kennt die Verdorbenheit keine Grenzen: Alexios, der nur deshalb an der Macht ist, weil er seinen eigenen Bruder Isaak blenden ließ, begehrt Iris, die Tochter seines Hofnarren Gomella, und will diesen zwingen, ihm seine Tochter zuzuführen. Davon erfährt die unglückliche Irene (historisch: Euphrosyne), Alexios' Gattin, die bisher nur ein behindertes Kind zur Welt gebracht hat - sie wird im Verlauf der Oper ihr krankes Kind und sich selbst ertränken. Irene ist nicht der einzige Selbstmordkandidat dieser schaurigen Oper: Auch Fridolin, ein eidbrüchiger versprengter Kreuzfahrer, den es an Alexios’ Hof verschlagen hat, stirbt am Ende durch Suizid, denn Iris erwidert seine Liebe nicht, weil er als Kreuzfahrer versagt hat, Kaiser Alexios degradiert ihn nach einem missglückten Attentat zum Zweit-Hofnarren, und sein hinzukommender Vater verstößt und verflucht ihn. Was könnte einem Schlimmeres passieren? Der kompetente, aber in seiner Bezugdichte doch wohl vor allem für den Siegfried-Wagner-Kenner nützliche Beihefttext von Peter P. Pachl stellt eine Verbindung her zwischen dem unglücklichen Fridolin und Siegfried Wagner selbst, den er als einen philosemitischen, dem markig-humorlosen Deutschtum recht fern stehenden Schöngeist mit homoerotischer bzw. bisexueller Neigung ausgibt, als einen Fremdkörper innerhalb der Wagner-Dynastie.
Auch das Libretto der "Sonnenflammen" stammt von Siegfried Wagner selbst; er setzt es mit souveräner Hand in Musik, gibt ihm ein opulentes Klanggewand auf der Basis eines eloquenten sinfonischen Orchestersatzes mit einer Fülle "intelligenter", die Handlung illustrierender und mit vorantreibender motivischer Bezüge. Flexibel bewegt sich Wagners Tonsprache zwischen der buffonesken Welt des Hofnarren Gomella und den tragischen Zuspitzungen des Geschehens; nicht leicht haben es die Sänger, in diesem orchestralen Getümmel zu bestehen, und das merkt man leider auch: Der Buffo-Tenor Niels Giesecke in der Rolle des Hofnarren liefert eigentlich kaum mehr als eine Al-Fresco-Version seiner Partie, ist u. a. mit den zahlreichen neckisch-verspielten Verzierungsfiguren technisch völlig überfordert. Nicht sehr beglückend ist außerdem der harsche, oft ungelenke Gesang des Fridolin-Darstellers Richard Brunner, und auch Eva Bátoris Iris zählt nicht zu den wirklich beglückenden Erfahrungen. Schade, denn Siegfried Wagners Musik verdient doch ein weitaus höheres Maß an Popularität, als ihr derzeit zuteil wird.

Michael Wersin, 01.09.2007


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