ECM/Universal
(109 Min., 7/2001) 2 CDs
Wer hätte je gedacht, dass Keith Jarrett öffentlich Ragtime- und Stridepiano spielen würde? Auf dem Montreux Jazz Festival ließ er sich 2001 dazu hinreißen, und der Bassist Gary Peacock sowie der Schlagzeuger Jack DeJohnette jammten vergnügt mit. Dabei hatte das Konzert wie gewohnt mit anspruchsvollen Trio-Improvisationen über "Four", "My Foolish Heart", "Oleo" und "What’s New" begonnen, bevor das Trio in "The Song Is You" etwas zerfaserte. Die ersten Ragtimetöne von "Ain’t Misbehavin" wirkten durch ihren starren Rhythmus wie ein Fremdkörper, doch nachdem sich die Partner auf den fast schon zickigen Beat eingelassen haben, wird daraus eine humorvolle Begegnung mit der Tradition, die sich in "Honeysuckle Rose" und "You Took Advantage of Me" fortsetzt. Dann ist Schluss mit lustig, denn nun gibt Jarrett mit Thelonious Monks "Straight no Chaser" wieder komplexere Kost vor, zumal Jarrett schon nach der Einleitung zum Solo an Peacock übergibt und der Wiedereinstieg in einer fast freejazzigen Kommunikationssituation mündet. Mit versöhnlicheren Versionen von "Five Brothers", "Guess I’ll Hang my Tears out to Dry", "On Green Dolphin Street" und "Only the Lonely" geht das Konzert danach so zu Ende, wie man es von diesem Trio erwartet: mit angenehmen, auf blindem Verständnis beruhenden Variationen der Jazzstandards. Das macht das Konzert zu einem weitgehend heiteren Brückenschlag zwischen der Moderne und der Tradition.
Werner Stiefele, 09.11.2007
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