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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Eine monumentale Enge hat sich Regisseur Willy Decker da von Bühnenbildner Wolfgang Gussmann bauen lassen, um die erdrückende Last noch zu potenzieren, unter der Verdis Historiendrama ächzt und stöhnt. Eine riesige Marmor-Wand windet sich um die Bühne der Amsterdamer Oper - als ein "Pantheon de los Reyes", in dem Philipp II. die Gebeine seiner Vorfahren aufbewahrt. Es ist ein opulentes Mausoleum, das mit seinen streng angeordneten Grabplatten wie eine steinernde Todeszelle wirkt, in die durch keine Ritzen die nötige Luft zum Atmen hineinschleichen kann. Selbst Don Carlo schrumpft da auf Menschenwürmlingsgröße zusammen. Und so wirkt Rolando Villazón schon fast wie ein verlorenes Kind, das mit seinen riesigen Kulleraugen und den sich zu Fäusten verkrampfenden Fingern trotzig aufbegehren will. Gegen den dämonisch und düster dreinschauenden Vater (Robert Lloyd) und gegen die hermetisch abgeschlossene Welt, in der politische Unterdrückung und religiöse Einschüchterung zum alleinigen Lebensprinzip geworden sind. Darstellerisch ist Villazón zwar von Willy Decker genauso in ein konventionelles Korsett gesteckt worden wie überhaupt das Sänger-Ensemble. Dafür entschädigt die stimmschauspielerische Qualität des Live-Mitschnitts umso mehr.
Wenngleich der mexikanische Wunderknabe Villazón bei seinem Rollendebüt nicht das dramatische Gewicht auffahren konnte, um die Spannung kurz vor dem Zerbersten hochzuhalten, ist seine Pianissimo- und Messa-di-Voce-Kunst nicht etwa makelloses Schönsingen, sondern mitreißender Ausdruck innerer Beteiligung. Vom musiktheatralischen Radius her ist Robert Lloyd natürlich ein ganz anderes Kaliber. Und man darf durchaus einige Falten in seiner Stimme verschmerzen, wenn er mit einer Robustheit zu Werke geht, die in schauerliches Tosen umschlägt. Neben den übrigen, nahezu gleichwertigen Sängern und Sängerinnen (u. a. Dwayne Croft als erregend-aufwühlender Rodrigo) zeigte zudem Riccardo Chailly, was für einen Verdi-Dirigenten Amsterdam verloren und Leipzig gewonnen hat. Opernhaftes Getöse und Geschluchze gehören schließlich nicht zu Chaillys Markenzeichen. Vielmehr sind es diese ständigen Wechsel aus Schlankheit im Klang, rhythmischer Straffheit und enormer Plastizität, mit der Chailly einmal mehr unter Beweis stellt, dass er das Verdi-Handwerk und -Denken von keinem Geringeren als Carlos Kleiber gelernt hat.

Guido Fischer, 01.09.2007


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