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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Peter Iljitsch Tschaikowski, Dmitri Schostakowitsch

Klavierkonzert Nr. 1 op. 23, Klavierkonzert Nr. 1 op. 35

Denis Matsuev, St. Petersburger Philharmoniker, Yuri Temirkanov

RCA/SonyBMG 8869 700233-2
(55 Min., 7/2006) 1 CD

28:17 Minuten ist der Referenzwert für Tschaikowskis Klavierkonzert Nr. 1 – und wurde selbstverständlich von Vladimir Horowitz und Arturo Toscanini vorgegeben. Als Knebelzeitvertrag haben aber nachfolgende Generationen diese Jahrhundertaufnahme nicht empfunden. Selbst die sich bedingungslos ins Geschehen werfende Martha Argerich benötigte 1980 vier Minuten mehr. Nun kommt also der 32-jährige Denis Matsuev. Und weil er vor drei Jahren mit dem Album "Tribute to Horowitz" eine Visitenkarte abgelieferte, die an spieltechnischer Fulminanz der eines Arcadi Volodos in nichts nachstand, war man durchaus gespannt: Wird er es vielleicht mit dem Geschwindigkeitsrausch seines Vorbildes aufnehmen? Wer jedoch Matsuev unlängst live bei den brillant entzauberten Klavierkonzerten von Liszt erlebte, wird nicht nur auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die 33:09 Minuten, die er jetzt für den Tschaikowskireißer benötigt, sind geradezu repräsentativ für einen Pianisten, der wohl momentan wie kein Zweiter seiner Generation die Ästhetik der kultivierten Entschiedenheit pflegt.
Seine überragenden Möglichkeiten setzt er nicht kraftmeierisch ein, sondern stehen ganz im Dienste der Formsicherheit und Lebendigkeit. Das Oktavmartellato im Finalsatz ist ansteckend, aber kein verschwitztes Gedonnere. Und im Prestissimo-Intermezzo des langsamen Satzes steckt eine wie aus dem Ärmel geschüttelte Rasanz, die abseits leeren Oberflächenglanzes als dramaturgisch plausibel gesetztes Scharnier zwischen die entspannt-beruhigenden Kantilenen gesetzt wird. Matsuev ist überall Herr seiner Sinne. Langweilig oder abgeklärt wird es deshalb noch lange nicht. Vielmehr gerät die Aufnahme mit ihrer erfrischenden Plastizität und Transparenz zu einer Rehabilitation eines vielgeschundenen Opus, an der das von Yuri Temirkanov gleichfalls hellwach geleitete St. Petersburg Philharmonic Orchestra erheblichen Anteil hat. Vom Kurs ist man daher auch nicht beim Klavierkonzert Nr. 1 von Dmitri Schostakowitsch abgekommen. Der bis an die Grenzen des Gehetzten reichende Elan und der wild spuckende Motivvulkan im "Moderato", das nebenbei extreme Tempihaken schlägt – Matsuev hat überall noch so viele Reserven, um dem Spöttischen und Karikaturhaften eine extralange Nase zu drehen. Was Tastenkunst und Unterhaltung auf höchstem Niveau garantiert.

Guido Fischer, 01.09.2007


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