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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Robert Schumann

Fantasie C-Dur op. 17, Sinfonische Etüden, Klaviersonate Nr. 2

Marc-André Hamelin

Hyperion/Koch 0 34571 17166 1
(76 Min., 8/1999, 12/1999) 1 CD

Es fällt schwer, Marc-André Hamelin nicht zu mögen. Sein Spiel klingt immer souverän und herrlich sonor. Und selbst nach monströsen Stücken wie Medtners „Nachtwind-Sonate“ (siehe Rezension) oder Regers „Bach-Variationen“ (siehe Rezension) glaubt man ihm hinterher, dass es gar nicht so schwierig war. So bezwingend klar, so sahnig angerichtet bekommen wir Schwierigstes, dass man nicht mehr fragt, auf wessen Kosten hier der Triumph über die Materie so verlockend zelebriert wird.
Doch hier, bei drei berühmten Werken Schumanns, müsste mancher in seinem Hörsessel aufschrecken, sich die Augen reiben und endlich begreifen, wie das geht. Ich gebe zu, es gefiel auch mir am Anfang. Ich hatte flüchtig zwei ergreifende Schlüsselstellen im ersten Satz der C-Dur-Fantasie gehört, den Epilog zur Balladenton-Durchführung und das Beethoven-Zitat am Ende, wo Schumann seine „Ferne Geliebte“ grüßt. Das tönt Hamelin in der Tat sehr sensibel und schnörkellos ab. Er kann es ja. Es gibt ja herrliches Klavierspiel zu entdecken.
Doch Hamelin zerstört sich alle Poesie und Balance durch seine Neigung zum pastos hingepinselten Breitwand-Sound. Der gibt er überall nach. Ein Akzent auf einer Oktave im Bass bedeutet für Hamelin, mit durchgetretenem Pedal eine röhrende Fortissimo-Granate abzuwerfen. Die überaus voluminösen, aber auch verfetteten Bässe sind in dieser Aufnahme hässlich übersteuert. In welchem Maße ist der Likörtorten-Klang Hamelins eigentlich ein Produkt der Hyperion-Aufnahmetechnik?
Es ist, und ich weiß, jetzt schreien die Hamelin-Verehrer auf, etwas Vulgäres in diesem Spiel. Ein Hauch von Jahrmarktsspektakel, von dunstigem Trubel. Hatte man noch bei der bezaubernden Scherzando-Episode im zweiten Satz hoffnungsvoll durchatmend zugestimmt, ist die Hauptsatz-Reprise dann von fast parodistischer Grobheit: „Das gefällt, nehmen sie Anteil meinedamnunherrn – hier ist die Action.“ Und die kuriosen, vieldiskutierten Tempoanweisungen der g-Moll-Sonate: „So rasch wie möglich – schneller – noch schneller“ werden nicht befragt, sondern gleichsam am Gashebel eines Fahrgeschäftes umgesetzt. Was bei Martha Argerich einen fiebrig-hysterischen Zug gewinnt, ist bei Hamelin allenfalls von pianistischem Interesse. Und die Argerich ist einfach besser.
Das Thema der „Sinfonischen Etüden“ verheißt noch nuancenreiches, warm timbriertes Spiel. Aber schon in der ersten Variation ärgert das gutturale Kollern der Basslinie – bin ich ein Notentext-Sklave, wenn ich einwende, dass sich das dynamische Spektrum hier vom pp zum p bewegt? Aber das ist noch harmlos neben den folgenden Anfällen.
In geradezu genialer Weise werden poetisch-komplizierte Wunder hier mundgerecht gemacht. Diese CD ist idealer Schumann-Einstieg für die Pokémon-Generation. Eine Nominierung für die Vierteljahresliste der Deutschen Schallplattenkritik scheint unvermeidlich.

Matthias Kornemann, 01.09.2007


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