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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Johann Sebastian Bach, Heinrich Bach, Johann Christoph Friedrich Bach u.a.

Altbachisches Archiv

Cantus Cölln, Concerto Palatino, Konrad Junghänel

harmonia mundi HMC 901783.84
(152 Min., 02/2002) 2 CDs

Es waren stille, aber darum nicht weniger bewegende Momente der Musikgeschichte, wenn sich Johann Sebastian Bach in wahrscheinlich nur seltenen Mußestunden während seiner Amtszeit als Leipziger Thomaskantor liebevoll mit den Beständen seiner Bibliothek beschäftigte: Seine geistliche Literatur versah er hier und da mit aufschlussreichen Randnotizen, die durch Feuer oder Wasser in Mitleidenschaft gezogene Originalpartitur seiner Matthäuspassion reparierte er sorgfältig, indem er beschädigte Seitenhälften entfernte, Papier anklebte und die Noten ergänzte. Ähnlich engagiert und gründlich verfuhr er auch mit dem "Altbachischen Archiv", jener Sammlung von älteren kirchenmusikalischen Kompositionen seiner weit verzweigten Familie, die sich in seinem Besitz befand: Er schrieb neue Umschläge, berichtigte Fehler und ergänzte Text; teilweise fertigte er sogar Aufführungsmaterial an, was darauf schließen lässt, dass manche der Stücke in Leipziger Gottesdiensten erklungen sind. Bachs ausgeprägtes historisches Bewusstsein, das sich an diesen und vielen anderen Aspekten ablesen lässt, sticht deutlich hervor in jener Zeit des Komponierens für den augenblicklichen Gebrauch und des mehr oder weniger intelligenten Ausschlachtens älteren Materials für aktuelle Bedürfnisse: Mehr als viele seiner Zeitgenossen legte Bach sich selbst Rechenschaft ab über sein Woher und Wohin; ebenso wie er wusste, dass er am Ende einer geistesgeschichtlichen Epoche wirkte, kannte er auch genau die Wurzeln jener Tradition, die er zu einem letzten Höhepunkt führte..
Auf zwei CDs legt Cantus Cölln mit seinem Streicherensemble und den Bläsern des Concerto Palatio eine Aufnahme der Gottesdienstmusiken des Altbachischen Archivs vor. Ein Kosmos tut sich auf, der in seiner Fülle und Schönheit hier nicht annähernd adäquat beschrieben werden kann. Zu Grunde liegen die vertrauten religiösen Inhalte lutherischer Prägung, die dem Hörer auch aus Johann Sebastian Bachs Kantaten vertraut sind: Um die Mühsal und Vergänglichkeit des zeitlichen Daseins und das friedliche, freudige Sterben in Christo mit dem vertrauensvollen Blick auf ein besseres Leben kreisen die Texte der Kantaten, Motetten und Arien. Wer offen ist für die besondere Gestimmtheit solcher Gläubigkeit, den wird die in ihrer schlichten Größe so ausdrucksvolle, in ihrer musikalisch-rhetorischen Verflochtenheit so aussagekräftige Musik Johann Bachs, Heinrich Bachs, Johann Christoph Bachs und anderer zutiefst berühren. Konrad Junghänel und seine Sänger werden den Ansprüchen einer mustergültigen Wiedergabe dieser wertvollen Stücke meistens vollkommen gerecht; gerade weil fast immer auf höchstem Niveau musiziert wird, verwundern hier und da jedoch kleine vokale Unebenheiten. Bedauerlicherweise gibt das sonst gut ausgestattete Beiheft keine Auskunft darüber, welche der Sänger in den einzelnen Werken singen. Die vorliegende Einspielung ist derzeit nicht nur die umfassendste, sondern insgesamt auch die brillanteste Einspielung dieses Repertoires; sie verdient großes Lob und viel Aufmerksamkeit.

Michael Wersin, 01.09.2007


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