Wer den Tenorsaxofonisten Joe Lovano auf den Avantgardisten im Paul-Motian-Trio verkürzt und ihm mit seinen eigenen Blue-Note-Produktionen Rückfall in den Neotraditionalismus vorwirft, verkennt dessen musikalischen Hintergrund, den Nährboden, aus dem dieser Ausnahmemusiker die stets neue Energie bezieht, die seinen Projekten ein stets frisches eigenständiges Gepräge gibt.
An der Seite seines Musiker-Vaters Tony hat er die Musikstile, die sich einst auf der legendären 52. Straße in New York auf engstem Raum begegneten, direkt und aus erster Hand erlebt. Moderner Swing und ursprünglicher Bebop durchdrangen sich da. Eine vorherrschende Figur war dabei der Komponist und Arrangeur Tadd Dameron. Dunkel funkelnden eigenwilligen Wohlklang schuf dieses fast vergessene Genie in Großbesetzungen aus den kühnen Errungenschaften des Bop. Mit einem Nonett, orchestriert von seines Vaters einstigem Partner Willie "Face" Smith, hat Joe Lovano ein breit gefächertes Programm eingespielt, bei dem Kompositionen Tadd Damerons im Zentrum stehen. Die Musik verzichtet auf marktschreierisch grelle Effekte und verweist statt dessen mit Ruhe auf ihre Tiefendimension, und Joe Lovano besticht durch seine jeder Epigonenhaftigkeit ferne, dienende Virtuosität, die Charlie Parker überzeugend in tenoristische Aktualität übersetzt.
Thomas Fitterling, 01.06.2000
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