"Ich spiele keinen Jazz. Ich habe nie Jazz gespielt", erklärt Yusef Lateef jedem verdutzten Gesprächspartner und legt Wert darauf, dass man seine Klangwelt - er nennt sie "autophysiopsychische Musik" - nicht so bezeichnet. Sein wohl populärstes Album nannte der bis heute verkannte Musiker "Eastern Sounds". Und diese Bezeichnung trifft es. Lateef, nicht etwa ein Araber, sondern ein amerikanischer Moslem, hat in den fünfziger Jahren, als sich noch keine Coltranes und Cherrys dafür interessierten, als erster an einer Verbindung zwischen afroamerikanischer Improvisationsmusik und orientalischer Musik gearbeitet und ist somit zum Vater der heutigen "Weltmusik" geworden. Dabei blieb er stets ein Hardbop-Tenorist mit einem bewegendem Sound und ein großer Meister des Blues, den er besonders gern auf der Oboe spielte, deren nasalen, östlichen Klang er hier etwa in "Blues For The Orient" eingefangen hat.
Auch seine Mitmusiker regte er zur Verwendung seltener Instrumente an. Der Bassist Ernie Farrow spielt hier angeblich Rabat, es handelt sich aber um eine Rebab. Mit dem Drummer Lex Humphries und vor allem dem begnadeten Pianisten Barry Harris, seinem alten Freund aus der fruchtbaren Detroiter Jazz-Szene, gelang Lateef hier ein verträumtes Album, das eher mit märchenhaft exotischen als folkloristischen Klängen vom ersten bis zum letzten Ton in seinen Bann zieht.
Faszinierend ist Lateefs meditatives "The Plum Blossom". Lateef spielt hier auf einer kugelförmigen chinesischen Tonflöte, die er in Chinatown kaufte, als er von ihr hörte, und die 1200 Jahre alt sein soll. Nur fünf Töne kann man auf diesem Ding blasen, das klingt wie eine Flasche, in die man bläst. Doch welch zartes Kleinod hat Lateef aus diesen Möglichkeiten gezaubert. Yusef Lateef hat uns schon vor Jahrzehnten eindrucksvoll vorgeführt, dass Musik keine Grenzen kennt, außer jenen, die sich der Künstler selbst setzt.
Marcus A. Woelfle, 11.01.2001
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