Nagel-Heyer 6 45347 00593 1
(62 Min., 1/2000) 1 CD
Keine Frage, Swingtanzen ist wieder "in". Immer mehr Menschen fliehen vor dem wuchtigen, unelastischen Maschinenbeat des Tekkno zu jenen beschwingten Klängen, die zu Großvaters Zeiten Synonym für Lust und Freude waren. Der Swing lag in den letzten fünfzig Jahren zwar nicht gerade im Dornröschenschlaf, doch war unter diesem Begriff allzuviel Falschgeld im Umlauf, von keinerlei Leben erfüllter Abklatsch zur Belustigung nostalgisch torkelnder Greise, klinisch saubere, das heißt jazzferne Tanzschulendemonstrationsobjekte. Nun haben traditionelle Jazzmusiker, die nicht nur "l’art pour l’art" betreiben, sondern sich wie Armstrong, Basie & Co. auch als Entertainer verstehen, wieder Aufwind. Zu ihnen gehört der Trompeter Warren Vaché (zehn Jahre bei Benny Goodman), der mit dem Ensemble dieses Albums zehn Wochen lang eine sechsköpfige Tanzgruppe begleitet hat.
Warren Vaché, der die Bravour Charlie Shavers', den Humor Clark Terrys, den Swing Roy Eldridges, die Lyrik Ruby Braffs und weitere kostbare Ingredienzen der "Alten" in einen unwiderstehlichen Personalstil zusammengeführt hat, ist gottlob ebensowenig puristisch wie seine aus nur elf Musikern bestehende "Big Band". Sie liefern keine Stilkopie des Swings der dreißiger, vierziger Jahre, sondern gießen neuen Wein in die alten Schläuche, mit frischen Arrangements und Chorussen, die aus den fünfziger (!) Jahren stammen könnten.
Der trotz seines dünnen Tons hörenswerte englische Saxofonist und Arrangeur Alan Barnes ist eindeutig ein Parker-Schüler. Harry Allen, in Konzerten ein unheimliches Getz-Double, pflegt hier einen zwischen Paul Gonsalves und Al Cohn liegenden Stil. Der Drummer Jake Hanna verwendet stellenweise den "modernen" Philly-Joe-Jones-Beat, der Pianist Steve Ash einen typischen Bud-Powell-Lick ... Bebop und seine Folgen, also jener Jazz, der einst die Swing-Tänzer vergraulte, ist heute das Salz in der Suppe der Swing-Renaissance.
Marcus A. Woelfle, 15.06.2000
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