So ein prächtiges Denkmal hat Mary Lou Williams, die wohl bedeutendste und dennoch fast vergessene Jazzinstrumentalistin und -Komponistin ihrer Generation, verdient! Kaum eine Persönlichkeit der Jazzgeschichte hat sich so wenig auf seinen beachtlichen Lorbeeren ausgeruht wie der 1981 verstorbene weibliche Duke Ellington: In den zwanziger Jahren Newcomerin aus Kansas City, in den dreißiger Jahren Swing-Pionierin bei Andy Kirk, in den vierziger Jahren an der Seite der Bopper, in den fünfziger Jahren spirituelles Erwachen, in den sechziger Jahren Komponistin geistlicher Musik, in den siebziger Jahren noch gemeinsames Musizieren mit einem viel jüngeren Avantgardisten wie Cecil Taylor.
Da Mary Lou Williams keinen musikalischen Stillstand kannte, ist es ein Segen, dass der abwechslungsreiche Tribut des Trompeters Dave Douglas so erfrischend unmuseal und persönlich geraten ist. Nur vier der dreizehn Stücke stammen von ihr, die übrigen hat Douglas für sie komponiert - nicht in ihrem Stil, aber doch in einer Art Seelenbruderschaft. Dabei hat er sich als gescheiter Postmodernist in allen Stil-Ecken zugleich niedergelassen.
Schon Douglas allein, dessen Soundpalette vom dunklen Grummeln zum swingenden Leuchtfeuer, vom trüb Verwaschenen zum Konturscharfen reicht, ist ein Genuss. Doch er hat mit den Bläsern Greg Tardy, Chris Speed, Joshua Roseman (kein Tippfehler!), dem Bassisten James Genus und dem Drummer Joey Baron ebenbürtige Partner. In Uri Caine, der selbst als unermüdlich Tributierender mühelos alle Brücken zwischen den Jazz-Wurzeln und der Avantgarde schlägt, hat er sogar den Pianisten der Wahl für so ein Unternehmen. Wenn nun die Plattenfirmen auf die Idee kämen, zum neunzigsten Geburtstag am 8. Mai all die unzugänglichen Aufnahmen der Williams wieder zu veröffentlichen ...
Marcus A. Woelfle, 27.04.2000
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