Undogmatisches Verhältnis zum freien Spiel ehrt und eint Deutschlands junge Klaviertrio-(Avant)Garde. Jens Thomas und Michael Wollny spielen keinen Freejazz, aber sie spielen mit dem Freejazz. Und auch das Trio des Berliner Pianisten Carsten Daerr stellt mit dem zweiten Album nach seinem allseits gerühmten Debüt "PurpleCoolCarSleep" klar, was Konzertbesucher schon seit längerem zu schätzen wissen: Wir sind nicht fixiert auf Musik, die sich fürs "Real Book" in Akkordfolgen fassen ließe. Wir mögen aber deswegen auf verführerische Grooves, Changes und Melodien nicht grundsätzlich verzichten.
Indem sie so den Eintrittspreis in die Welt des Freejazz verweigern, kommen die angenehm unaufgeregten Rebellen einer Neuerfindung des Klaviertrios im Spannungsfeld von Jazz und E-Musik erfrischend nahe. "E" meint bei Daerr & Co. eher experimentierfreudig als "ernst". Experimentiert wird mit Sounds, Strukturen - und erstaunlichen Resultaten: das "E" wirkt improvisatorisch belebt, statt kopfig erstarrt. Eric Schaefers Schlagzeug kann zehn Kubikzentimeter klein klingen und im nächsten Moment zu mächtigen Attacken ausholen. Auch Oliver Potratz am Bass muss sich aus der klassischen Fundamentsetzer-Rolle gar nicht erst freistrampeln. Die vielbeschworene Gleichberechtigung, hier kommt sie ebenso radikal wie selbstverständlich daher. Selbst wenn dies Trio wüste Befreiungsschläge riskiert, bleibt seine Musik - auch ohne die witzigen Erläuterungen im Booklet - nachvollziehbar; so sie denn konzentrierte Zuhörer findet, aber für die erweist sich das Wechselbad aus Widerborstigem und zartestem Kammermusik-Geflüster als lustvoll genießbares Abenteuer: 16 Miniaturen, die von maximalem Einfallsreichtum zeugen.
Klaus von Seckendorff, 22.10.2005
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