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N° 1297
18. - 24.03.2023

nächste Aktualisierung
am 25.03.2023



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Maurice Ravel, Bedřich Smetana, Dmitri Schostakowitsch, Leoš Janáček, Benjamin Britten

Streichquartette

Medici-Quartett

Koch Classics 3-6436-2
(135 Min.) 2 CDs

Zwei Seelen wohnen, ach, in seiner Brust. Paul Robertson, Primgeiger des Medici-Quartetts und Gastprofessor für „Music & Brain Function“ an der Universität Kingston, ist dem Zusammenhang von musikalischem Empfinden und physiologisch-neurologischen Hirnfunktionen auf der Spur. Die im CD-Beiheft mitgeteilten Erkenntnisse lassen mitunter die Stirn runzeln: So etwa habe Ravel nach seiner durch einen Autounfall verursachten Hirnschädigung Musik immer noch „erfinden“, aber „einfach nicht mehr komponieren“ können. Wenn dann auch noch resümiert wird: „Im Augenblick gewährt uns Ravels grandioses Quartett einen tiefen persönlichen Einblick in seine Schöpferkraft“, so stimmen wir dem zu und bleiben bei unseren Leisten, beim Hören der Jubiläums-Doppel-CD, mit der das von Robertson geführte Medici-Quartett sein Fünfundzwanzigjähriges feiert.
Und da verspricht die Programmgestaltung viel, was die Interpreten nicht durchgehend halten. Ravels ätherisch leichtes, aber auch impulsiv südländisch kolorites Werk wird da zu schwergewichtig, mit über-steigerter Gestik und bedächtigen Tempi angegangen. Das Espressivo — ein Grundton der Medicis — kommt da schon eher Smetanas „Aus meinem Leben“ zugute, zumindest im innigen dritten und nach dem jähen Einbruch so beklemmenden — die Taubheit suggierenden — vierten Satz. Und auch das in düsteren Erinnerungen an die Kriegsgreuel schwelende achte Streichquartett Schostakowitschs findet im pathetischen Zugriff der Medici adäquaten Ausdruck.
Man muss nicht unbedingt mit Robertson zur göttlichen Harmonie oder zum Zwischenreich von Leben und Tod greifen, um Brittens drittes Quartett, seinen Schwanengesang, ergreifend zu finden — auch und gerade in Händen der Medicis, die sich hier von einer sonst leider vernachlässigten Seite introvertiert-intimen Singens zeigen. Janáček schließlich: Muss man sich wirklich für den Hormonausstoß des Komponisten, provoziert durch die sexuellen Obsessionen gegenüber seiner sechsunddreißig (nicht: fünfundzwanzig) Jahre jüngeren Muse Kamila Stösslová, interessieren, um sein erregendes erstes Quartett besser verstehen zu können?

Christoph Braun, 31.05.1996



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