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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Franz Schubert

Die schöne Müllerin

Andreas Schmidt, Rudolf Jansen

Hänssler/Naxos CD 98.373
(61 Min., 6/2000) 1 CD

Wie ruiniert man eine wunderschöne, problemlos funktionierende Stimme? Ganz einfach und doch grausam zugleich: Zu anstrengende Partien, zu viele Auftritte, zu wenige Ruhepausen. Im Fall des Baritons Andreas Schmidt stellt sich, entsprechend dem Titel des zweiten Liedes der "Müllerin", besonders dringlich die Frage "Wohin?", verbunden mit einem ratlosen "Warum?"
Seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre bemerke ich an seinen Aufnahmen immer deutlicher werdende Spuren des Verschleißes und der nicht auskurierten Überanstengung. Eine Begegnung mit Schmidt als Interviewpartner im vergangenen Jahr überzeugte mich von seiner künstlerischen Integrität und seinem profunden Wissen um gute Gesangstechnik und ökonomischem Stimmeinsatz - zwei Aspekte, deren Missachtung durch andere Sänger Schmidt damals bemängelte. Zur selben Zeit jedoch entstand diese Neuaufnahme von Schuberts Liederzyklus "Die schöne Müllerin", die das vorerst letzte Zeugnis von Andreas Schmidts Stimmkrise ist.
Wer Andreas Schmidts frühe Liedaufnahmen aus den achtziger Jahren kennt, der wird betrübt und erschrocken auf dieses Tondokument reagieren: Nicht viel ist mehr übrig von der ursprüglich mühelosen Resonanz, der perfekten Ausgewogenheit der Register und der vollkommen souveränen Führung des Gesangs in jeder Lage, auf deren Basis differenzierte Gestaltung ganz ungehindert möglich war.
Statt dessen hören wir hier eine vergleichweise stumpf, oftmals geradezu flach klingende Stimme, deren oberes Register sich aus seiner Verbindung mit der Basis löst, woraus häufig eine zu hohe Intonation resultiert. Probleme mit dem weichen Ansprechen der Stimme löst Schmidt fatalerweise durch harten Stimmeinsatz und durch ausgeprägtes Aspirieren von Melismen (die-hie ge-he-lie-hieb-te-he Mü-hül-le-he-rin), eine Unart, die früher niemals bei ihm zu beobachten war. Harsche Akzente, geboren aus der Not beschränkter Verfügbarkeit des Materials, treten an die Stelle fein abgestimmter Ausdrucksnuancen.
Warum? Ich vermute, dass die Wagner-Heldenbaritonpartien, die Schmidt seit einigen Jahren in Bayreuth und anderswo singt, der Hauptgrund für die beklagenswerten Veränderungen sind. Eine Rückbesinnung auf die künstlerischen Wurzeln - Schmidt begann als hervorragender Konzert- und Liedsänger - scheint unvermeidlich.
Nachdenklich stimmt allerdings der engagierte Beihefttext aus Schmidts Feder, in dem er seinen Hörern diese Aufnahme als Ergebnis erneuter Auseinandersetzung mit dem Zyklus präsentiert: Große Worte angesichts des bescheidenen Ergebnisses. Wohin?

Michael Wersin, 01.09.2007


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