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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Arvo Pärt, Philip Glass, Wladimir Martynow

Silencio

Gidon Kremer, Tatjana Grindenko, Kremerata Baltica, Eri Klas

Nonesuch/Warner Classics 0 75597 95822 5
(68 Min., 9/1999, 11/1999) 1 CD

Ich muss dem von mir inständig geschmähten Philip Glass Abbitte leisten. Ja, ich gebe es zu, ich hatte ihn immer für den langweiligsten aller langweiligen Komponisten gehalten. Beim Abhören des "Company" genannten Stücks auf dieser CD wurde mein für unumstößlich gehaltenes Urteil auch zuerst bestätigt: das übliche trübsinnige Einheitsgedudel für Streicher. Dann jedoch wurde ich schmerzlich, sehr schmerzlich, eines Besseren belehrt: von Wladimir Martynow und seinem Werk "Come In!". Flauschig süße Harmonien, entsetzlich sentimentale Melodien, die sich konstant weigern, irgend einen Weg einzuschlagen – dazu klingelt in regelmäßigen Abständen tröstlich die Celesta. Filmszenen drängen sich auf: Nach gehabter Bescherung legt sich Familie Smith am Weihnachtsabend selig zur Ruhe. Und dann wird das Ganze auch noch qualvolle siebenundzwanzig Minuten lang ein ums andere Mal wiederholt.
Laut Einführungstext repräsentiert diese Musik die Suche nach dem Himmelreich im eigenen Selbst. Der tickende Holzblock symbolisiert dann wohl das Klopfen an die Himmelspforte. Mag bei diesem Erbauungskitsch selig werden wer will, ich empfehle ihn statt Schäfchen zählen als Einschlafhilfe.
Man könnte diese im Beiheft mit künstlerisch garantiert unheimlich wertvollen Schwarzweißfotos und bedeutungsschwangeren Zitaten von Kremer bis Cage versehene CD als typisches Produkt der Meditationswelle abhaken, enthielte sie nicht auch Arvo Pärts "Tabula rasa". In dieser 1977 vollendeten Concerto-grosso-artigen Komposition hat Pärt ein Meisterwerk geschaffen, dessen suggestive Kraft er später niemals mehr erreicht hat. Gewiss, auch im zweiten Satz von "Tabula rasa" entwickelt sich nichts, doch Pärt gelingt es hier mit äußerst sparsamen Mitteln, einen Zustand von absoluter Zeitlosigkeit zu evozieren, hypnotisch, asketisch, gleichsam entmaterialisiert. Von der Andachtspose so vieler modischer religiös motivierter Musik ist das meilenweit entfernt.
Den Widmungsträgern und Interpreten der Uraufführung, Gidon Kremer, Tatjana Grindenko und dem Dirigenten Eri Klas, gelingt hier eine faszinierende Einspielung von großer geistiger Klarheit, die fortan als Referenz gelten kann. Doch hätte ich sie lieber in besserer Nachbarschaft gesehen.

Thomas Schulz, 01.09.2007


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