Er war der Begründer der modernen amerikanischen Musik und Versicherungsunternehmer in Personalunion: Charles Ives (1874-1954), der ein solides Leben als erfolgreicher Geschäftsmann führte, komponierte nur in seiner Freizeit und nahm, abgeschnitten vom zeitgenössischen Musikleben in den USA, nahezu sämtliche Neuerungen der Avantgarde bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts voraus: Atonalität, Zwölftontechnik, Aleatorik, Collagetechniken und vieles andere mehr. Um aufführungspraktische Probleme scherte er sich nicht, weswegen viele seiner Werke erst heutzutage angemessen interpretiert werden können.
In den vier Violinsonaten tritt der seltsame Zwiespalt offen zutage, der einen großen Teil von Ives’ Musik beherrscht: Kompositionstechnisch ist sie zukunftsweisend, doch inhaltlich vom Amerika des 19. Jahrhunderts besessen und zitiert die Volkmusik jener Zeit – Hymnen, Choräle, Märsche, in einer bunten Collage. Gleichzeitig eignen sich die Stücke hervorragend als Einführung in Ives' Schaffen, da sie stärker tonal gehalten sind als ein Großteil der Orchesterwerke und die Stilvielfalt stets überschaubar bleibt.
Nobu Wakabayashi und der Pianist Thomas Wise liefern handwerklich mehr als solide Interpretationen der ungewöhnlichen Werke, in denen besonders das nostalgische Element gut zum Tragen kommt. Daher gelingen die langsamen Sätze und die "klassischste" der vier Sonaten, die Dritte, am besten. Was jedoch völlig fehlt, sind zwei der wichtigsten Grundelemente der Klangsprache Ives': Humor und Pioniergeist. Die wilde Squaredance-Parodie etwa des Mittelsatzes der Zweiten Sonate klingt bei Wakabayashi und Wise so zahm und bieder, als handle es sich um ein Werk von Max Bruch. Wer interpretatorisch derart auf Nummer Sicher geht, erweist der Musik des großen Einzelgängers Ives einen Bärendienst.

Thomas Schulz, 01.09.2007

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