Die Enttäuschung war vorprogrammiert, wenn man in den vergangenen Jahren Al-Jarreau-CDs in das Abspielgerät schob. Nun gut, es fanden sich inmitten dieser extrem verhaltensunauffälligen Schmuse-Pop-Nummern auch immer wieder ein paar Leckerbissen, die darauf hindeuteten, dass der Scat-Weltmeister sein Real Book doch noch nicht in die Altpapiertonne geschmissen hat. Es sei an die Erfolgsaufnahme "Heaven and Earth" von 1992 erinnert, die nach einer Stunde gediegenem Hausfrauen-Soul plötzlich mit einer schön betexteten Interpretation von "Blue in Green" aufwartete. Aber, ach, eigentlich ging man dann lieber zu einem Konzert vom guten Al, als sich eine seiner neuen Platten anzuhören. Live ließ er wenigstens richtig die Sau raus.
Doch nun ist ein Wunder geschehen. Nach Jahren der Pop-Dienstleistungen hat Al Jarreau ein reines Jazz-Album aufgenommen. Daran hat natürlich auch das Revival des Standard-Gesangs seinen Anteil, wie man unschwer dem Cover mit seiner Sinatra-Rat-Pack-Anmutung entnehmen kann. Soll uns nur recht sein.
Eigentlich könnte Jarreau es sich einfach machen und all die blassen Neo-Traditionalisten mit Bebop-Furor aus der Bar der einsamen Weicheier singen. Aber das tut er auf "Accentuate the Positive" nur einmal, wenn er Dizzy Gillespies Klassiker "Groovin‘ High" in atemberaubende Vocalese-Girlanden einwickelt. Ansonsten hält er sich bemerkenswert zurück, was gerade den Balladen ungemein gut tut. Unendlich zart umfasst Jarreau die Melodien von "My Foolish Heart", "The Nearness of You" oder "Waltz for Debby", ganz so, als habe er Angst, sie mit der schieren Macht seiner Stimmbänder zerdrücken zu können. Und selbst wenn er sich bewegteres, funkaffines Material vorknöpft, gibt er nie den Marktschreier. Ein altersweiser Gentleman. Ein großer Sänger. Und endlich: eine rundum gelungene Platte.
Josef Engels, 24.07.2004
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