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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Gustav Mahler

6. Sinfonie

Berliner Philharmoniker, Claudio Abbado

DG/Universal 477 5573
(80 Min., 6/2004) 1 CD

Wo sich sonst Resignation und Trauer breit machen, endet diese Interpretation mit einem Paukenschlag, der Widerstand verheißt. So leicht muss man sich dem Tod nicht anheim geben, den Tod schon sterben, bevor er noch eingetreten ist. Für den von seiner Krankheit gezeichneten äußerst energievollen Claudio Abbado ist die Sechste Sinfonie, die den Beinamen "Tragische" trägt, kein Abbild von Trostlosigkeit, keine devote Hingabe an ein schreckliches Schicksal.
Schon die rhythmisch fesselnden Bässe zu Beginn haben etwas Forderndes, sagen: es gilt, sich zu stellen, egal, was es sei. Das mag aus der persönlichen Situation des Dirigenten abgeleitet und überinterpretiert sein, aber es trifft diesen drängenden, in keiner Sekunde nachlassenden und immer am Schönen orientierten gemeinsamen Klang. Weil die Berliner Philharmoniker diese Gesten gemeinsam so körperlich gestalten, wird der Hörer in diese Bewegung hineingenommen, ein Ritt über Berge und Täler beginnt.
Wir hören die Natur, die Tiere, die Berge sprechen. Und wir wandern, mal allein, mal andere beobachtend, vielleicht neben anderen, durch diese Landschaft. Wir staunen, alles ist vertraut und wirkt doch bisweilen fremd, Mahler treibt uns. Es gibt keine Zeit zum Ausruhen. Ab und zu umfasst uns ein Taumel – soll das Verzweiflung sein? Wir spüren unsere Ur-Sehnsucht, mit allem eins zu sein, sich eins zu fühlen.
Schöner und zarter wurde der zweite Satz nie gesungen – so der Eindruck dieser Nachtmusik. Wie ein tröstliches Schlaflied. Warum Rembrandts "Nachtwache" Pate gestanden haben soll, bleibt hier unklar. Nein, die Vorstellung träumender entspannter Kindergesichter würde besser zu diesen Klängen passen.
Was wird aus den bedrohlichen Tönen im dritten Satz? Sie finden in sanften Streicher- und Flötentönen ihre Balance, kommen immer wieder zur Ruhe.
Sind wir noch auf Erden mit unseren Gedanken? Stellen wir uns nicht längst einer größeren Macht, die mit aller Gewalt als Frage in unser Leben drängt? Doch wir haben Lieder und Choräle, die uns Kraft geben, die Nähe auszuhalten und den Blick in die weite Ferne zu richten.
Selten ist uns diese Sinfonie so nahe gegangen, Abbado spielt mit den Philharmonikern ein hoffnungsvolles Lied vom Leben, zu dem der Tod immer schon dazugehört.

Margarete Zander, 01.09.2007


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