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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Gustav Mahler

Sinfonie Nr. 6

San Francisco Symphony Orchestra, Michael Tilson Thomas

SFS Media/Musikwelt 8 21936 00012 0
(87 Min., 9/2001) 2 CDs, http://www.onlybeck.de/index_klassik.php?artnr=1000045184&bereich=klassik&partner=3

Die Konzerte, von denen diese Einspielung von Gustav Mahlers "Tragischer" mitgeschnitten wurde, fanden in San Franzisko wenige Tage nach dem 11. September statt. Es ist den Verantwortlichen sehr hoch anzurechnen, dass die CD nicht mit Werbetexten wie "Das Konzert zur Katastrophe" vermarktet wurde. Trotzdem kann angesichts der Tatsache, dass einen Tag nach dem grauenvollen Ereignis ausgerechnet jenes Werk auf dem Programm stand, das wie kaum ein zweites in der sinfonischen Literatur den Sieg negativer Kräfte in Töne fasst, nur von einer Ironie des Schicksals gesprochen werden.
Einerseits ist Mahlers Sechste Sinfonie seine formstrengste und zielgerichetste - keine formalen Experimente wie in der Dritten und Fünften, keine Vokaleinlagen, und die Exposition des Kopfsatzes ist sogar mit Wiederholungszeichen versehen, ganz wie in alten Zeiten. Andererseits lädt das Werk - das in seiner die psychischen Grenzbereiche immer wieder auslotenden und neu definierenden Tonsprache wie kein anderes Mahlers Forderung, eine Sinfonie müsse die Welt umfassen, erfüllt - auch zum Schwelgen, Sich-Fallenlassen, zum hemmungslosen Bad im Gefühl ein.
Es ist Michael Tilson Thomas' großes Verdienst, dass er genau dies nicht tut. Zwar ist vom ersten Takt an die Hochspannung spürbar, unter der alle Beteiligten stehen, doch in Tilson Thomas' zügigem Tempo des einleitenden Marsches und der unerbittlichen Konzentration auf das rhythmische Element wird sofort klar, dass in dieser Interpretation Stringenz im Vordergrund steht - in der Präsentation der Form und der unausweichlichen Entwicklung zum hoffnungslosen Schluss des Finales.
Es ist allerdings weniger ein dem Werktitel angepasster tragischer Grundzug, der Tilson Thomas' Dirigat und das Spiel des Orchesters prägt, sondern eine aggressive, giftige Energie, ein Musizieren mit zusammengebissenen Zähnen nach dem Motto "jetzt erst recht". Mustergültig kommt diese Haltung im Kopfsatz und vor allem im sardonischen Scherzo zum Tragen, dessen Paukenakzente zu Beginn selten in so einer verletztenden Schärfe realisiert werden. Fände Tilson Thomas jedoch keinen Ausdruck für die Gegenwelten, die in dem Werk ebenfalls vorkommen, wäre seine Interpretation ebenso einseitig ideologisch wie etwa die Michael Gielens (Hänssler). Es gelingt ihm jedoch, jene Inseln weltfernen Friedens im Kopfsatz und im Finale, in denen nur noch das Geläut von fernen Herdenglocken an das Irdische erinnert, ebenso überzeugend zu gestalten wie die pastorale Oase des Andante. Hierfür nimmt er sich viel Zeit, und trotzdem bleiben diese Episoden unauflösbar Teil des Ganzen.
Klang und Orchesterleistung erfüllen höchste Ansprüche, das Publikum hält sich mit Nebengeräuschen vornehm zurück. Fast ist man dankbar für jene kleine Stelle der Unsicherheit nach dem ersten Hammerschlag im Finale, an der die Streicher dem Blech davonlaufen und das Ganze beinahe aus den Fugen gerät. Diese Einspielung ist ein Konzert-Dokument erster Güte und zudem eine der elektrisierendsten Aufnahmen von Mahlers extremstem Werk.

Thomas Schulz, 01.09.2007


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