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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Gustav Mahler

Sinfonie Nr. 4

Camilla Tilling, Philharmonia Orchestra, Benjamin Zander

Telarc/In-Akustik 0 89408 05552 2
(58 Min., 6/2000) 2 CDs, Mit Bonus-CD

Nach dem Motto "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen" hörte ich mir vor der Hauptsache, nämlich der Aufführung der Sinfonie, zuerst die Zugabe an: Benjamin Zanders englischspachigen, mit zahlreichen Musikbeispielen gespickten Vortrag über Mahlers Vierte. Normalerweise schweift meine Aufmerksamkeit bei so etwas schnell ab, hier jedoch war ich sofort gefesselt von des Dirigenten Humor, seiner Fähigkeit zur verständlichen und konzisen Darstellung komplizierter Themen und nicht zuletzt seinem unfehlbaren Verständnis dafür, worauf es bei Mahler ankommt. Eine bessere Einführung in das Werk ist nicht vorstellbar. Ob Zander es wohl schaffen wird, all die Einzelheiten, auf die er ausdrücklich hingewiesen hat, in seiner Interpretation auch hörbar zu machen?
Er schafft es, und mehr noch: Er vollbringt die Quadratur des Kreises, die in der nur scheinbar so durchgehend sonnig-heiteren Komposition nur den allerwenigsten Dirigenten gelingt. Einerseits nämlich lässt Zander in allen vier Sätzen die dem Werk zugrunde liegende Ambivalenz spürbar werden, lässt plötzliche Akzente schmerzen wie Nadelstiche und vor allem die Bläser in der Artikulation bis zum Äußersten gehen und, wenn nötig, Mut zur Hässlichkeit beweisen. Die auf Skordatur, das heißt einen Ganzton höher als üblich, gestimmte Geige im Scherzo klingt tatsächlich so zum Äußersten gespannt, dass man erwartet, jeden Moment könnte eine der Saiten reißen – was bei der Probe auch tatsächlich passiert ist.
Andererseits jedoch spielen die Skurrilitäten bei Zander nicht die Hauptrolle; den Fehler haben einige Dirigenten gemacht - z. B. Daniele Gatti (RCA) und manchmal sogar Simon Rattle (EMI, siehe Rezension) - und das Werk damit auf nur eine von mehreren in der Partitur enthaltenen Dimensionen reduziert.
Trotz Verwirklichung der geforderten Extremwerte steht bei Zander der natürliche Fluss im Vordergrund. Nicht nur ist das kontrapunktische Gewebe bis in die kleinste Nebenstimme durchleuchtet, auch wird die Logik der motivischen Entwicklung überzeugender verdeutlicht als bei den meisten Einspielungen, sodass die Vierte unter Zander als eine der am schlüssigsten konzipierten Sinfonien Mahlers dasteht.
Wie immer bei Telarc bietet der Klang das Optimum an Tiefenwirkung und Transparenz, und das Philharmonia-Orchester hatte eine echte Sternstunde - allein diese unendlich langsamen und liebevollen Portamenti im Adagio lohnen das Hören der CD! Die junge schwedische Solistin Camilla Tilling besitzt einen schönen Ton sowie die stimmliche Unverbrauchtheit, die von der Partie gefordert wird. Die Wortverständlichkeit ist allerdings nicht immer optimal - und an die unwiederbringliche Mélange von Unschuld, Erfahrung und Entrücktheit, die Edith Mathis unter Karajan (DG) in diese Partie einzubringen wusste, reicht Camilla Tilling ebenso wenig heran wie jede andere mir bekannte Sängerin in dem Werk, das ich immer mehr für Mahlers vielschichtigstes halte.

Thomas Schulz, 01.09.2007


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