Audite/Naxos 95.476
(73 Min., 2/1976) 1 CD
Mahlers "verflixte Siebte", die so vielen Interpreten und Exegeten Rätsel aufgegeben hat, bereitet Rafael Kubelik keine Probleme. In dem Mitschnitt aus dem Münchener Herkulessaal zeigt er sich erneut als hochsouveräner Mahler-Dirigent – einer, der es nicht nötig hat, grelle Masken aufzusetzen oder anderweitig übers Ziel hinauszuschießen, um Mahlers Absichten deutlich zu machen.
So erklingt die Siebte unter Kubelik vorwiegend sonnig und heiter; die spukhaften Zwischentöne, wie sie die erste Nachtmusik und das "schattenhafte" Scherzo prägen, sind durchaus vorhanden, bestimmen aber nicht das Bild. Kubeliks gleichermaßen transparente wie liebevoll durchdachte Interpretation ruft in den Mittelsätzen eher jene "eichendorffschen Visionen" hervor, wie Mahler sie im Sinn gehabt hatte.
Eine besondere Kostbarkeit bietet die zweite Nachtmusik, die Kubelik sehr zügig angeht, ohne je gehetzt zu wirken; die beschauliche Stimmung wird immer wieder von freudiger Unruhe in Frage gestellt, aber nicht negiert und die serenadenhaften Instrumentationsdetails – Mandoline und Gitarre – sind dezent, doch charakterbestimmend ins Gesamtbild integriert.
Im oft als misslungen empfundenen Jubelfinale spannt Kubelik überzeugend den großen Bogen mit sensiblen Tempowechseln bei insgesamt recht schnellem Grundtempo. Die von vielen Interpreten hineinkomponierte Ironie findet sich hier allerdings nicht. Kubelik dirigiert hier eine energetische vorwärtspreschende Festmusik, keinen Tanz auf dem Vulkan. Wenn an dieser Einspielung etwas auszusetzen wäre, dann höchstens, dass es ihr, vor allem im Kopfsatz, ein wenig an jener Hochspannung mangelt, die Michael Tilson Thomas' Interpretation (siehe Rezension) zu einem außergewöhnlichen Erlebnis macht. Auch das glasklare, röntgenartig scharfe Klangbild der Tilson-Thomas-Aufnahme darf nicht erwartet werden. Als Dokument lebensvoller, organischer Mahler-Interpretation ist diese CD dennoch überragend.
Thomas Schulz, 19.04.2001
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