HMF/Helikon HMU 907250.51
(155 Min., 04/1999) 2 CDs
Wer sich bislang eine an den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis orientierte Einspielung von Bachs Violinsonaten zulegen wollte, war mit Sigiswald Kuijkens Interpretation aus dem Jahr 1974 nicht schlecht beraten. Zusammen mit dem Cembalisten Gustav Leonhardt hatte der Altmeister der Darmsaiten damals eine ernste, kammermusikalisch konzentrierte Version der sechs Werke vorgelegt.
Ganz anders geht Andrew Manze zu Werke. Er bleibt seinem Image als Draufgänger treu, fördert zusammen mit Richard Egarr am Cembalo und Jaap ter Linden, der Cello und Gambe bedient, das italienische Brio dieser Kompositionen zu Tage. Und das funktioniert verblüffend häufig. Zwar hätte Manze sich für meinen Geschmack in manchem langsamen Satz die eine oder andere Schroffheit auch verkneifen dürfen, doch die tänzerische Leichtfüßigkeit aller drei Musiker entschädigt dafür.
Schließlich enthält die Doppel-CD noch einen klingenden Beweis dafür, dass Musikwissenschaftler gelegentlich durchaus zu etwas nütze sind. In akademischen Kreisen war nämlich Bachs berühmte Orgeltoccata und Fuge d-Moll BWV 565 schon vor Jahren als Bearbeitung eines Geigenwerks entlarvt worden (siehe Interpretationsvergleich aus RONDO 5/95), doch legt Manze nun den zweiten Versuch einer Rekonstruktion vor - und der überzeugt nicht mit spätromantischer Virtuosität, sondern einer klugen Verteilung der Stimmen über die Geigensaiten. Schon dieser Coup alleine macht die Produktion zum lohnenden Kauf.
Stefan Heßbrüggen, 01.12.1999
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