Unter den großen Pianisten hatte sich bislang ausschließlich Friedrich Gulda vom Clavichord begeistert gezeigt; dieses für den Hausgebrauch konzipierte Tasteninstrument besitzt von der Mechanik und Tonproduktion her nur entfernte Gemeinsamkeiten mit dem Cembalo. Zudem muss man sich an den Klang des Clavichords erst mal gewöhnen. So fremdartig und zugleich archaisch wirkt dieses oftmals dünne, resonanzarme Notengehüpfe – für Johann Sebastian Bach war es aber das bevorzugte Instrument für das nach innen horchende häusliche Musizieren. Und nun hat sich auch der Pianist András Schiff als Fan des Clavichords geoutet. Und in seinem Begleitkommentar seines Bach-Recitals merkt er an, dass es eine gewisse Zeit braucht, sich in das Wesen dieses Instruments hineinzuhorchen – um sodann seinen einzigartigen Charakter liebzugewinnen.
Bei Gulda ließ einen das Clavichord kalt. Auch wegen so manch elektronischer Klangverfremdungen, mit denen er das Alte upzudaten versuchte. Bei Schiff ist man hingegen nach einer gewissen Einhörungsphase, die mit dem „Capriccio sopra la lontananza del fratello dilettissimo“ eingeläutet wird, schnell von dem puristisch daherkommenden, aber trotzdem gehaltvollen Bach-Bild fasziniert, das er da auf dem Nachbau eines Specken-Clavichords von 1743 ausbreitet. Alles ist vollkommen, abseits aller Brillanz und Virtuosität, auf den Geist der ausgewählten Werke ausgerichtet. Nichts lenkt von der Kraft, Tiefe und Form der Inventionen & Sinfonien BWV 772–801, der Chromatischen Fantasie und Fuge sowie der „Vier Duette“ ab. Und bis hin zum „Ricercar à 3“ aus dem „Musikalischen Opfer“ stellt sich dank des Gestaltungszauberers Schiff eine dahinfließende Innigkeit und Empfindsamkeit ein, die einem plötzlich nah und vertraut erscheint.

Guido Fischer, 28.01.2023

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