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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Johann Sebastian Bach

„Orgelbüchlein“ (The Complete Works for Keyboard, Vol. 7)

Benjamin Alard, Ensemble Vocal Bergamasque, Maîtrise Notre-Dame de Paris

harmonia mundi HMM 902498.99
(82 Min., 5/2019 & 1/2021)

Mit seiner Gesamteinspielung aller Werke J. S. Bachs für Tasteninstrumente ist Benjamin Alard in Teil 7 der Serie nun beim „Orgelbüchlein“ angekommen. Die Sammlung repräsentiert Bachs Choralvorspiel-Kunst, so wie er sie bereits als junger Hoforganist in Weimar beherrschte, aufs vielfältigste und vortrefflichste. Die Vorspiele sind knapp gehalten – die Liedmelodie, meistens in der Oberstimme verarbeitet, läuft stets nur einmal ohne Zäsuren durch –, aber dennoch bzw. gleichzeitig ist die Variabilität der musikalischen Sätze mehr als staunenswert: Jedes Stück ist wahrhaft ein individuelles Meisterwerk, und die Art der Einbettung der Choräle ins polyphone Flechtwerk der Unterstimmen zeigt oft deutlich nachvollziehbare musikalisch-rhetorische Bezüge im Hinblick auf die Aussage des jeweiligen Kirchenliedes.
Für Benjamin Alard stehen die protestantischen Kirchenlieder, die ja Anlass und materielle Substanz der Choralvorspiele sind, im Vordergrund: Klar und organisch arbeitet er mit seinen Registrierungen bzw. auf der agogischen Ebene seiner Interpretationen die Cantus firmi heraus. Zudem lässt er im Anschluss an die Choralvorspiele jeweils eine Strophe des Liedes singen, wofür ihm das Ensemble Vocal Bergamasque und die Maîtrise Notre-Dame de Paris bei den Aufnahmen zur Verfügung standen. Im Fall von „In dulci jubilo“ durchbricht er sogar das Verfahren des Nacheinanders von Vorspiel und Liedstrophe, indem er den Chor die im Choralvorspiel als Kanon verarbeitete Melodie sofort kanonisch in den Orgelsatz hineinsingen lässt. Ansonsten schließen die Liedstrophen an Bachs Vorspiele an.
Hier tun sich freilich Fragen auf, die das Beiheft ausklammert: Sind die Liedsätze, die wir hören, Alards eigene Sätze? Die Harmonik der Bachschen Vorspiele wird darin nicht übernommen. Wie verhält es sich mit der liturgischen Aufführungspraxis? Die Tempi scheinen in der Regel an das Tempo des Cantus firmus im Vorspiel anzuknüpfen, was durchaus hinterfragt werden könnte: Schließlich gibt es aus der Zeit auch Berichte, die Lieder seien von der Gemeinde sehr langsam gesungen worden. Ferner stellt sich die Frage nach Zeilenzwischenspielen, so wie sie ja von Bachs eigener Hand noch aus der Arnstädter Praxis überliefert sind. Kurzum: Eine so minutiös durchgeplante Edition wie die vorliegende sollte der Hörerschaft per Beihefttext mehr Aufschluss geben über die Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der so außergewöhnlichen Maßnahme der Liedstrophen-Beigabe zu den Choralvorspielen getroffen worden sind.

Michael Wersin, 29.10.2022


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