Ein bisschen Fake muss sein. Da versprechen das Titelbild sowie die Zeitangaben auf der Innenseite der Disc zwölf Stücke mit einer Spieldauer von jeweils exakt 3‘00“, also drei Minuten – doch ganz unten ist noch angemerkt: „Zeiten‚ gerundet‘“. Also Fehlanzeige: Rainer Tempels Quartett platziert sich nicht mit einer Serie von exakt gleich langen Kompositionen in der Geschichte des Jazz.
Sei’s drum. Dabei haben die Grob-Drei-Minüter Tradition, denn vor rund hundert Jahren passte schlichtweg nicht mehr auf eine Scheibe. Das zwang die Musiker einst zur Konzentration. Dies erfüllen auch die rund drei Minuten langen Titel. Der Pianist Rainer Tempel, Professor für Jazz-Komposition an der Stuttgarter Musikhochschule und vielbeschäftigter Bigband- und Projekt-Arrangeur, der Posaunist Johannes Lauer, der Trompeter Bastian Stein und der Saxofonist Christian Weidner nehmen das knappe Format spielerisch an. Sie schreiten in „On Wilshire Boulevard“ über den Splitt einer nervösen Klavierfigur und gleiten in „Scating Life“ elegant voran. Ein „Interview mit B.E.“ scheint Tempel ziemlich nachdenklich gemacht zu haben, während sich in „Figuring Life“ Bläser-Highlights und melancholische Momente über einen Wellenfluss erheben. Ein Hauch von Nostalgie und das Flair eines kunstvollen Worksongs umwehen „Men at Work“.
Jedes Stück weckt andere Assoziationen. Andererseits ist ihnen Tempels Faible (und Fähigkeit) gemeinsam, auch eine Besetzung aus drei Bläsern und einem Flügel mit einem Klangvolumen auszustatten, das an das Spektrum einer mehrstimmig gesetzten Mini-Bigband erinnert. Diese Dreiminüter sind jeweils für sich genommen hörenswert und wahrscheinlich auch bestens im Radio als Brücke zwischen zwei Sendungen einsetzbar. Auf Dauer fehlen der Disc allerdings Kontraste, die sie als Gesamtwerk für Abwechslung sorgen könnten.

Werner Stiefele, 13.08.2022

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