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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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„Not Tight“

DOMi, JD Beck

Blue Note/Universal 4590836
(44 Min., k. A.)

Seitdem die Clips der französischen Keyboarderin Domitille Degalle und des texanischen Schlagzeugers JD Beck auf YouTube und Instagram millionenfache Aufrufe erzielt haben, bekommen sich die Medien nicht mehr ein. Von der „Zukunft des Jazz“ ist die Rede und von einer ganz neuen Art der Musikpräsentation. Was einerseits an der unglaublichen Virtuosität liegt, die die beiden so nonchalant zu präsentieren wissen (in einem Video hockt die Französin in einem Kleiderschrank und spielt John Coltranes „Countdown“-Solo in halsbrecherischem Tempo nach). Und andererseits an der Frühreife von DOMi & JD Beck, die sich 2018 als 17- bzw. 14-jährige Wunderkinder im Rahmen der Musikmesse NAMM kennenlernten und anschließend gemeinsam auf der Geburtstagsparty der Sängerin Erykah Badu auftraten.
Der Anfang ihrer Debüteinspielung „Not Tight“ bestätigt zunächst die Befürchtungen, die angesichts des Wechsels von Social-Media-Stars in ein etabliertes Medium gerechtfertigt sein mögen: Ein Album ist etwas anderes als ein Instagram-Filmchen; die möglichst schnelle Befriedigung der Schau- und Sensationslust, komische Frisuren und seltsame Klamotten spielen hier keine Rolle mehr. Daran kranken denn auch Nummern wie „Whatup“ oder „SmiLE“. Trotz wahnwitziger Drumsoli, die klingen wie das nervöse Fußgetrappel einer Schulklasse voller ADHS-Kids, wirken die Stücke seltsam leer und in melodischer Hinsicht geradezu banal.
Dass „Not Tight“ doch noch die Kurve bekommt und den zweifellos überragenden musikalischen Qualitäten der bezopften Berklee-Stipendiatin und des androgynen Irrsinns-Trommlers eine adäquate Plattform bietet, verdankt sich der illustren Schar der Stargäste. Bassist Thundercat liefert sich mit DOMi in dem Titelstück „Not Tight“ nicht nur ein Soloduell der Extraklasse, sondern macht mit seinem charakteristischen Falsettgesang in „Bowling“ deutlich, dass sich eine gewisse Songdienlichkeit und Unorthodoxie nicht gegenseitig ausschließen müssen. Gleiches gilt für „Take a Chance“, in dem das Duo den Gesang ihres Förderers Anderson Paak im Refrain mit wunderbar verträumten Beach-Boys-artigen Backing Vocals unterlegt.
Es gibt auch bemerkenswerte Gastbeiträge von Gitarrist Kurt Rosenwinkel oder Rap-Prominenz wie Snoop Dogg und Busta Rhymes. Aber der größte Ritterschlag ist der Auftritt jenes Mannes, der die hinreißende Vermittlung zwischen Technologie, modernen Grooves und überirdischen Tastenläufen im Jazz überhaupt erst salonfähig gemacht hat: Herbie Hancock. Wie auf seiner Einspielung „Sunlight“ aus dem Jahr 1978 ist er nun auf dem Titel „Moon“ am Vocoder als funky säuselnder Roboter zu hören. Der 82-Jährige stellt damit klar: Der hibbelige Fusionjazz von DOMi und JD Beck hat eine Zukunft auch außerhalb von TikTok & Co.

Josef Engels, 06.08.2022


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