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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Felix Mendelssohn Bartholdy

Sonate D-Dur für Violoncello und Klavier Nr. 2, Variations concertantes, Sonate B-Dur für Violoncello und Klavier Nr. 1, Lied ohne Worte D-Dur

Jan Vogler, Louis Lortie

Berlin Classics/Edel 0017562BC
(54 Min., 10/2002) 1 CD

Was für ein Beginn einer Sonate! Über dem pulsierenden 6/8-Takt des Klaviers spannt sich der Melodiebogen eines Cellos, nicht enden wollend und doch in formvollendeten Grenzen, nach 8-taktigem Grundschema und dennoch das klassische Maß sprengend, das Haupt- und das Seitenthema fast unlösbar ineinander verschmolzen, unaufhaltsam aber, und von den Synkopen mehr voran getrieben als gehemmt. Die Rede ist von Mendelssohns zweiter Sonate für Violoncello und Klavier. Das abgegriffene Wort Schumanns, Mendelssohn sei der Mozart des 19. Jahrhunderts, hier findet es seine Berechtigung. Der geistreiche Kritiker Heinrich Heine nannte das Phänomen "Mendelssohns ernsthafte, passionierte Indifferenz" und verglich seine Musik mit der Poesie Ludwig Tiecks, dem Propheten romantischer Ironie. Was Heine aber als "Indifferenz" bezeichnete, ist in Wahrheit musikalische Ironie im eigentlich romantischen Sinne und ein überaus "moderner" Ansatz: an der Bruchstelle, da, wo das Gesagte durch sein Gegenteil aufgehoben wird, sollte ein "Unendliches" aufblitzen. "Absolut" wird die Musik nur durch die Aufhebung jedweden Inhalts. Und um dies wahrzunehmen, braucht man bei Mendelssohn, dies bemerkt Heine treffend, ein "feines Eidechsenohr" und "zarte Fühlhörner".
Eben solche Eidechsenohren und Fühlhörner besitzen auch der Cellist Jan Vogler und der kanadische Pianist Louis Lortie, die jetzt eine neue Einspielung der Werke für Violoncello und Klavier von Mendelssohn vorgelegt haben. Von allen maßgeblichen Aufnahmen dieser Werke liefern die beiden die rascheste Version - und auch die heilig-nüchternste. Jan Vogler entfaltet auf seinem Guarneri-Cello einen süß-herben Wohlklang und eine Reinheit der Intonation, wie man sie selten zu hören bekommt. Reiner und wohlklingender jedenfalls als Mischa Maisky, dessen Version erst vor kurzem bei der Deutschen Grammophon erschienen ist, auch wenn Vogler im bekenntnishaften "Adagio" der zweiten Sonate nicht dessen wehmütigen Schmelz zu erreichen vermag. Vogler und Lortie gelingt eine geradlinige und atmosphärisch dichte Interpretation (vor allem im "Allegretto scherzando"), deren Aufdruckskraft und Gefühlstiefe kaum unter der eher objektiven Herangehensweite zu leiden haben. Das ist feinnervige Salonmusik im besten Sinne, von den Schlacken einer falsch verstandenen Romantiktradition befreit, die musikalischen Gehalt mit Gefühlsduselei verwechselt.

Markus Kettner, 01.09.2007


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